Seite - 31 - in Österreichisches Deutsch macht Schule - Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Bild der Seite - 31 -
Text der Seite - 31 -
Letztlich handelt es sich bei diesem Phänomen um eine Frage der Sprachloya-
lität. Daher sei hier näher darauf eingegangen. Das Konzept der Sprachloyalität,
in unserem Fall sozusagen die „Varietätenloyalität“, wird in der Soziolinguistik
verwendet, um „das bewusste oder unbewusste Verhältnis einer Sprechergruppe
zu ihrer Muttersprache“ zu charakterisieren (Schmidlin 2011, 219). Eine posi-
tive Einstellung gegenüber der eigenen Sprache sowie die Identifikation mit der
eigenen Sprache (z. B. in Minderheitensituationen) bzw. der eigenen Sprachva-
rietät gegenüber (z. B. beim Wechsel von dialektalen zu standardsprachlichen
Varietäten (vgl. Hartig 1987) ist wichtig für den Spracherhalt. So wird Sprach-
loyalität als besonders wichtiger soziopsychologischer Faktor für das Überle-
ben von Sprachen in Situationen, in denen sie von „Sprachtod“ bedroht sind,
eingeschätzt (Dressler/de Cillia 2006, Brenzinger 1997, Fishman 1964). In der
germanistischen Linguistik findet sich das Konzept bei Löffler (2016, 60), wonach
Sprachzugehörigkeit durch Sprachloyalität konstituiert werde. Die SprecherIn-
nen müssten sich zur Sprachgemeinschaft zugehörig fühlen und die Bereitschaft
zeigen, „sich den pragmatischen und sprachlichen Regeln der Gemeinschaft
dieser Sprache anzuschließen“.
Schmidlin (2011) hat unseres Wissens nach als erste die Loyalität gegen-
über Sprachvarietäten, im konkreten Fall der staatsbezogenen Varietäten des
Deutschen, untersucht (219 – 233), der Begriff der „Variantenloyalität“ sei ihr
zufolge noch nicht belegbar. In ihrer Studie erforscht Schmidlin zum ersten Mal
empirisch die Loyalität gegenüber den eigenen Varianten im plurizentrischen/
pluriarealen deutschsprachigen Raum. Insgesamt stellt sie einen signifikanten
Einfluss der regionalen Herkunft auf die Loyalität gegenüber Eigenvarianten
fest. Danach weisen Gewährspersonen aus den Regionen Deutschland- Nordost,
Deutschland- Nordwest, Deutschland- Mittelwest und Deutschland- Mittelost
die höchsten Loyalitätswerte auf. Gewährspersonen (GP) aus den südlichen
Regionen würden hingegen mehr Fremdvarianten wählen als jene aus den
übrigen Regionen. Und trotz der typologisch- dialektalen Verwandtschaft der
alemannisch geprägten Regionen Österreich- West, Deutschland- Südwest und
der Schweiz würden hier die Gewährspersonen aus Deutschland- Südwest und
Österreich- West signifikant häufiger die Eigenvarianten wählen als die aus der
Schweiz. Schmidlin wertet dies als Hinweis darauf, dass dieses Sprachverhalten
eher nationalvarietätenspezifisch als regionalvarietätenspezifisch geprägt sei
(226). Auch was die „phonologische Variantenloyalität“ betrifft, stellt Schmidlin
(2011, 233) fest:
Die nationale Grenze scheint somit wiederum als stärkere sprachpragmatische Iso-
glosse als die dialektologische Homogenität; im alemannischen Sprachraum, der
sich innerhalb des deutschen Sprachgebiets auf die Schweiz, süddeutsche Regionen
und Österreich- West erstreckt, können sich GP je nach Nationalität unterschied-
lich verhalten. Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen
| 31
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256