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der Volkszählung von 2000 waren 63,7 % der Wohnbevölkerung und 72,5 % der
StaatsbürgerInnen deutschsprachig (Französisch: 21,0 %; Italienisch: 4,3 %; Räto-
romanisch: 0,6 %; Anderssprachige: 1,6 %; Lüdi/Werlen 2005, 8). Für den Erwerb
der Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung ist der Nachweis von Kenntnissen der
Sprache des jeweiligen Landesteils erforderlich
– die konkrete Umsetzung regeln
die Gemeinden. Die Standardvarietät des Schweizerhochdeutsch fungiert „nur
als sekundäres Nationalsymbol“ (Ammon 2006, 1767)
– die zentrale identitätsbil-
dende Rolle übernimmt in der Schweiz der jeweilige Dialekt des Schweizerdeut-
schen (Schwyzerdüütsch). Das deutschsprachige Gebiet der Schweiz ist von einer
ausgeprägten Diglossie zwischen Dialekt und Standardvarietät gekennzeichnet:
Es gibt keinen fließenden Übergang von der einen Sprachform zur anderen. Der
Dialektgebrauch herrscht im Mündlichen in allen sozialen Schichten vor, die
Standardvarietät bleibt auf einige wenige eher förmliche Domänen beschränkt
(z. B. Predigt, Uni- Vorlesung, überregionale Rundfunknachrichten). Der Dialekt
ist die Sprachform der Nähe, der Standard die Sprache der Distanz. Laut Volks-
zählung 2000 sprachen 90,8 % der DeutschschweizerInnen in der Familie Dialekt,
91 % aller Erwerbstätigen benutzten ihn im Beruf, davon rund 45 % ausschließlich
(Haas 2006, 1778), und es benutzten 6,8 % Hochdeutsch, 37,5 % Schweizerdeutsch
und 55,2 % Schweizerdeutsch und Hochdeutsch als Schulsprache (Lüdi/Werlen
2005, 84). Dabei ist das Schweizerdeutsch stark regional differenziert – es exis-
tiert keine „Ausgleichsmundart“, die als überregionaler Dialekt fungieren könnte
(Haas, 2006, 1779), obwohl sich eine gewisse Annäherung der Dialekte feststellen
lässt, wie ExpertInnen meinen.
In Liechtenstein ist Deutsch solo- offizielle Amtssprache und Nationalsprache,
ohne dass es eine Verankerung in der Verfassung gäbe. Von den ca. 33.000 Ein-
wohnerInnen sind 34 % AusländerInnen, davon ein Teil wiederum deutschspra-
chig. Die Standardsprache ist vom Standarddeutsch der Schweiz beeinflusst, was
sich z. B. bei Besonderheiten im Wortschatz zeigt. Auch die Diglossie zwischen
Standard und Dialekt ist ähnlich jener in der Schweiz.
In Südtirol ist Deutsch die regionale staatliche Amtssprache der Autonomen
Provinz Bozen- Südtirol. Bei der Volkszählung 2001 gehörten 69,41 % der deutsch-
sprachigen Bevölkerung, 26,06 % der italienischsprachigen und 4,53 % der ladi-
nischsprachigen Bevölkerung an (Landesinstitut für Statistik, 2012). Einflüsse des
Italienischen zeigen sich v. a. in der amtlichen Terminologie und in Form von
Entlehnungen (z. B. Hydrauliker für Installateur) und Lehnübersetzungen. Die
Standardsprache ist die Form der schriftlichen Kommunikation und bei formel-
len mündlichen Anlässen. Privat wird vor allem Dialekt gesprochen, wobei eher
eine diglossale Situation festzustellen ist als ein Dialekt- Standard- Kontinuum.
In Luxemburg ist Deutsch eine nationale staatliche Amtssprache neben Fran-
zösisch und Letzeburgisch – Letzteres hat die Funktion einer Nationalsprache
(Ammon 2006, 1765). Deutsch ist Einschulungssprache und neben Französisch
Schulsprache. Die Standardsprache ist nahe dem Letzeburgischen, das durch
Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256