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Also wir sprechen nicht österreichisch, wir sprechen Dialekt. Also auch unser Deutsch ist
nicht österreichisches Deutsch (die Leute)
… Leiberl ist ihnen/das ist kein Begriff.
[…]
(und wir) bekommen mit, dass wir eine Minderheit sind, sprachlich, sag ich jetzt ein-
mal. Also sie sind sich nicht – ident mit den Schweizern, sondern irgendwie in einer
Zwischenposition, (xxx) wirklich originell. Also das ist eben diese Zugehörigkeit zu/
zu Österreich, no na net, ungebrochen und/und auch völlig unbestritten, ah und auf
der anderen Seite aber die sprachliche Nähe zur Schweiz, (die uns allerdings) / das
ist nicht unser Land. Und aus dem Grund diese komische Zwischenposition. […]
Jaja, aber das ist in Vorarlberg natürlich (lacht)/wir sind ja wirklich Grenzland, wir
sind/wir sind de facto Deutsche und sind Schweizer und sind Österreicher, halt alles
in Einem, und das ist/von uns ist Deutschland wirklich sehr nah! Also es is (xxx)/also
für uns is München <deutlich näher als Wien (lachend)>!
Folgende Ausschnitte aus dem Interview mit einer Tiroler Lehrerin (FT2) thema-
tisieren ebenfalls Unterschiede zwischen Ost- und Westösterreich:
Also I hob zum Beispiel praktisch keine Schüler mehr, die den Ausdruck „Obers“ selber
verwenden. In Tirol hast des a nit Obers, des is also für uns ein ostösterreichisches
Wort, des hast Rahm. Es gibt Süßrahm und Sauerrahm. Net? Und in der Schweiz is
Rahm a ganz normales Wort. Aber bei uns,
… die Schüler assoziieren das inzwischen
nur mehr mit Sauerrahm. Für Süßrahm sogns Sahne.
Die folgende Lehrende aus Tirol (FT1) thematisierte den Einfluss des Fremden-
verkehrs auf die Verwendung der Küchensprache.
Die üblichen Dinge im Vokabular
… also Paradeiser, Kartoffel, Marille und so weiter,
das is in Tirol nicht so ah relevant, weil in Tirol hat man IMMER Tomate gsogt. Jo?
Und IMMER Kartoffel und net Erdäpfel/ah Erdapfel.
[…] aber in/Tirol is a sehr stoak
da der Einfluss des Fremdenverkehrs […] alle Speisekarten sind natürlich bundes-
deutsch. Da kriegt man halt tatsächlich Aprikosenmarmelade, Sahne und so weiter,
klarerweise. Und des is a den/den Schülern net wirklich bewusst, dass sie a Sahne sogn
ganz //ah natürlicherweise, und „Obers“ is für sie scho fast a bisl fremd eben. Das is
Ostösterreich, ja? Also des sind so verschiedene Einflüsse, die ma do feststellen kann.
Um die Ergebnisse dieses Subkapitels zusammenzufassen: Auf die Frage, wie sie
die Mehrheitssprache in Österreich benennen, antwortete die große Mehrheit der
Befragten mit dem Wort „Deutsch“. „Österreichisches Deutsch“ wurde immerhin
von 19,6 % der LehrerInnen und 11,2 % der SchülerInnen genannt. Dabei wird
das gesprochene Deutsch in Österreich in erster Linie mit umgangssprachlichen
und dialektalen Varietäten assoziiert, erst an dritter Stelle folgt die standardnahe
Varietät der Mediensprache. Was die staatsübergreifende Variation des Deut-
schen betrifft, ist bei einer Mehrheit der Befragten intuitiv ein plurizentrisches
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen144
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256