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herausen (sic!) sind, Standardsprache: korrekte, betont saubere Kleidung“ (Lehrer
aus Kärnten, Rastner 1997, 82). Die Daten unseres Projekts, über das das vor-
liegende Buch berichtet, sollten helfen, diese Befunde zu ergänzen. Ergebnisse
finden sich in Kap. 6.2.
Rastner 1997 schlägt vor, dass in einem „aufklärerischen Sprachunterricht“
auch umgangssprachliche und dialektale Varietäten ihren Platz haben sollten und
dass es um ein funktional richtiges Einsetzen von Sprachvarietäten entsprechend
der Kommunikationssituation geht.
Die Aufhebung der Dichotomie „richtiges/falsches“ bzw. „gutes/schlechtes“ Deutsch
zugunsten einer „situationsangemessenen/situationsunangemessenen“ Sprachver-
wendung ist ein wichtiger Beitrag zur Kultivierung eines toleranten Umgangs mit
Sprache, den Schule und Gesellschaft von heute dringend brauchen. (Rastner 1997, 93)
Welche Norm, welche Varietät in welcher Situation, in welcher Textsorte in Bezug
auf welches Thema, welchen Inhalt adäquat ist, das müssen LehrerInnen als zen-
trale normsetzende Instanzen letztlich immer wieder in ihrer Unterrichts- und
Korrekturpraxis entscheiden. Ziele eines derartigen Sprachenunterrichts sollten
die Sensibilisierung für die unterschiedlichen Formen innersprachlicher Mehr-
sprachigkeit und für unterschiedliche situative Normen sein, die Realisierung
flexibler, situativer Normen und die Entwicklung von Normtoleranz bzw. Akzep-
tanz unterschiedlicher Normen.
Der heimische Schulunterricht sollte im Idealfall ein sprachkritisches Bewusst-
sein für die vielschichtige Sprachsituation in Österreich vermitteln, damit die
SchülerInnen zu einem selbstbewussten Umgang mit der österreichischen Varietät
finden und sich dessen bewusst werden, dass die staatlichen Varietäten der deut-
schen Sprache gleichwertig sind. Befunde aus der Forschung zu Beginn unseres
Projekts wiesen darauf hin, dass an Österreichs Schulen die Gleichwertigkeit
der Varietäten in der bildungssprachlichen Praxis nicht „gelebt“ wird (Ammon
1995, Legenstein 2008, Heinrich 2010). Das war unter anderem der Anlass für die
Durchführung des im vorliegenden Buch dokumentierten Projekts.
Auch unsere als Vorstudie durchgeführte Interviewerhebung bei elf Exper-
tInnen für Deutsch- Didaktik 39 führte zu einer ähnlichen Vorab- Einschätzung,
etwa durch Werner Wintersteiner: „Varietätenfragen finden im Unterricht kaum
Niederschlag.“ Norbert Griesmayer stellte fest, dass letztendlich nur die individu-
ellen Normvorstellungen der Lehrperson ausschlaggebend seien, denn nirgends
sei festgelegt, wo das ‚richtige‘ Deutsch zu finden wäre: „Die Sprachauffassung
in Lehrplänen [ist eine] relativ nebulose, die sich damit zufrieden gibt, dass so
etwas wie ‚richtiges‘ Deutsch existiert.“
39 Für die Liste der ExpertInnen siehe Fußnote 40. Sprachnorm und Sprachenunterricht
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256