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Das einsame Sterben in Spitälern wird in den Medien eindeutig und
einheitlich thematisiert und charakterisiert: Man ist komplett isoliert von
den Angehörigen und den Freund:innen, man wird an medizinische Gerä-
te angeschlossen und von Personal behandelt, das in Schutzanzügen steckt,
wodurch man sich noch ausgeschlossener fühlt. Hinzu kommt der er-
zwungene Verzicht auf jegliche Sterberituale und geistliche Unterstüt-
zung. Daraus ergibt sich ein einschüchterndes Szenario, das möglicherwei-
se eher die Angst vor dem einsamen Sterben als vor dem Tod selbst ver-
breitet. Das Video der Familie Neutz präsentiert einen möglichen Weg des
Durchbrechens dieser Einsamkeit.
Das Sterben in und mit digitalen Medien
Mithilfe der digitalen Massenmedien hat das Sterben in der Pandemie sei-
nen Weg zurück in das ö!entliche Leben gefunden. Dabei wird eine Ten-
denz erweitert, die bereits vorhanden war.
In den Medien ist das Sterben omnipräsent, Reportagen und Bilder
über den Tod sind allgegenwärtig, zahlreiche Menschen begegnen dem
Sterben ausschließlich in der medialen Welt. Wir erfahren aus Nachrich-
tenportalen, TV-Sendungen, Dokumentationen oder Computerspielen,
wie das Leben endet, wobei es sich häufig um das Leben von fremden
Menschen handelt. Medien zeigen nicht nur intensiv den Tod und das
Sterben, sondern sie normieren diese Phänomene sowie die Art und Wei-
se, wie die Zuschauenden damit umgehen sollten. Darüber hinaus bieten
digitale Medien auch interaktive Formen des Umgangs mit Sterben und
Trauer, die den Zugang zu diesen in unserer Gesellscha# verdrängten Pro-
zessen verändern. Dabei generiert die Corona-Krise einen starken Impuls
in diese Richtung.
Das Video der Familie Neutz zeigt die Überwindung der räumlichen
Entfernung anhand von Medien in einer extremen Situation. In der ideali-
sierten, harmonisierenden Darstellung einer US-amerikanischen Familie
angesichts des Covid-19-Todes der Familienältesten werden zahlreiche
Themen verknüp#, die typisch für den zeitgenössischen Umgang mit dem
Sterben sind. Das Video kann deswegen nicht nur als eine partikuläre Ge-
schichte gelesen werden, die sich in den Vereinigten Staaten ereignet hat,
sondern auch im Hinblick auf sein Pozential, neue Formen im Umgang
mit dem Ende des Lebens im digitalen Zeitalter zu ermöglichen.
Einsamer Abschied vor aller Welt
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https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Paradoxien einer Krise
- Titel
- Religion, Medien und die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Paradoxien einer Krise
- Autor
- Daria Pezzoli-Olgiati
- Herausgeber
- Anna-Katharina Höpflinger
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-2221-6
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 134
- Kategorien
- Coronavirus
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 7
- Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
- Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
- «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
- Gemeinscha!en in Isolation 23
- Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
- Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
- Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
- Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
- Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
- Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
- Unterhaltung in der Pandemie 67
- Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
- Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
- Der Tod als mediale Inszenierung 85
- Einsamer Abschied vor aller Welt 87
- Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
- Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
- Erlösung durch Kapitalismus 103
- Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
- Ausblicke ins Ungewisse 119
- Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
- Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
- Abbildungsverzeichnis 133