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Religion, Medien und die Corona-Pandemie - Paradoxien einer Krise
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Stadt Bergamo angrenzenden Kleinstadt, fragte die Kirche San Giuseppe Artigiano dafür an. Dieses schlichte sakrale Gebäude aus den 1960er Jahren ru# mit der ela- borierten Betonstruktur den Einfluss des Brutalismus auf die italienische Architektur in Erinnerung. Die Kirche befindet sich in einem Teil der Stadt, der vom Übergang von einer Bauern- zu einer Arbeiterkultur ge- prägt ist; der Name «St. Joseph der Handwerker» verdichtet diesen Bezug zur Nachkriegszeit. Die Fotos aus dieser improvisierten Au%ahrungshalle angesichts des Massensterbens in Norditalien sind zur Ikone der Krise ge- worden. Sie kündigen plastisch an, was das Virus bewirken kann und mo- tivieren Individuen und Gemeinscha#en dazu, etwas dagegen zu unter- nehmen. Die potenziellen Folgen der Ansteckung auf die Bevölkerung werden dabei auf unmissverständliche Weise sichtbar gemacht. Der Kirchenraum wurde für diese ungewohnte Verwendung umfunk- tioniert; die Bänke sind auf die Seite oder in die Mitte geschoben worden. An den sonst schmucklosen Backsteinwänden hängen Bilder mit den ver- schiedenen Stationen des Kreuzwegs, die die Passionsgeschichte Jesu visu- ell in Erinnerung rufen. Ein Priester segnet die Toten; ein Mensch im weißen Schutzanzug des- infiziert den Boden und die Särge. Die zeitliche und räumliche Gleichzei- tigkeit dieser Reinigungspraktiken, deren Bedeutung in ganz andersgearte- ten Orientierungssystemen wurzelt, ist erstaunlich. Die unterschiedlichen Handlungen verweisen auf verschiedene Umgangsarten mit dem Tod: Die eine versteht den Tod als Übergang vom irdischen Lebensweg hin zu einem ho!nungsvollen Jenseits, die andere betrachtet ihn als logistische Herausforderung, als Verweis auf den verwesenden Körper, der möglichst schnell beseitig werden muss. Die Kirche als vorübergehende Au%ahrungshalle Trotz der unterschiedlichen Herangehensweisen an den Tod, die das Bild zeigt: Die Särge sind alle gleich. Darin ruhen die Menschen, die dem Virus erlegen sind. Die Identifikation der an Covid-19 verstorbenen Personen wird mit Namen und groß geschriebenen Zahlen gesichert. Als Zusehende können wir die Identität der Toten nicht erkennen. In dieser Aneinander- reihung von gleichen Totenschreinen verschwindet die Persönlichkeit des Einzelnen hinter den Holzwänden dieser vorübergehenden Ruhestätte. Wir erfahren nicht, ob darin alte Menschen oder Leute, die in Spitälern ar- beiteten, liegen; Individuen, die nach einem langen, erfüllten Leben Ab- schied nahmen oder die durch den Tod von unerträglichem Leiden erlöst Der Tod als mediale Inszenierung 94 https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48 Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Religion, Medien und die Corona-Pandemie Paradoxien einer Krise
Titel
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Untertitel
Paradoxien einer Krise
Autor
Daria Pezzoli-Olgiati
Herausgeber
Anna-Katharina Höpflinger
Verlag
Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-7489-2221-6
Abmessungen
15.3 x 22.7 cm
Seiten
134
Kategorien
Coronavirus
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 7
  2. Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
  3. Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
  4. «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
  5. Gemeinscha!en in Isolation 23
  6. Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
  7. Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
  8. Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
  9. Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
  10. Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
  11. Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
  12. Unterhaltung in der Pandemie 67
  13. Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
  14. Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
  15. Der Tod als mediale Inszenierung 85
  16. Einsamer Abschied vor aller Welt 87
  17. Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
  18. Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
  19. Erlösung durch Kapitalismus 103
  20. Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
  21. Ausblicke ins Ungewisse 119
  22. Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
  23. Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
  24. Abbildungsverzeichnis 133
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