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Der Totenbrauch
• in Wohnstube für Hausangehörige, die zu Hause verstarben
• im Spital, bei Beerdigung im dortigen Friedhof (seltene Fälle), oder bei Überführung vom Spital
direkt zum Begräbnis [im Heimatort]
• im Totenhäusl. In St. Lorenzen am Wechsel links vom Friedhof gegen den Graben oder in Mönich-
wald für Fremde, die keiner Hausgemeinschaft angehörten.
Die Zeit zwischen dem Ableben und dem Begräbnis ergab in der Regel zwei Totenwachen. Am Tag
kamen ältere Verwandte und Nachbarn mit Kindern zu Bekundung der Anteilnahme. Zu Beginn des
Besuches und vor dem Weggehen wurde an der Bahre still gebetet und die Bahre mit Weihwasser be-
sprengt. Die Totenwache vom Abend bis nach Mitternacht hielten ĂĽbrige Bewohner der Nachbarschaft.
Bis Mitternacht wurden Lieder gesungen. Die Melodien waren ĂĽberliefert, die Texte in meist hand-
geschriebenen Heften aufgezeichnet. Ursprüngliche Quellen dieser Lieder sind nicht bekannt. Sänger
waren überwiegend Frauen. Die Lieder wurden in der natürlichen Zweistimmigkeit gesungen. Männer
sangen meist den Funktionsbass spontan, dieser ist deshalb für eine Aufzeichnung nicht fixierbar. […]
Die Sänger gruppierten sich um den Tisch. Neben Brot und Most, die allen Teilnehmern angeboten
wurden, wurde den Sängern Zucker in einem Teller bereitgestellt. Im Gebiet Festenburg erhielten die
Sänger nach dem Singen auch Kaffee.43 Um Mitternacht wurden der Schmerzhafte Rosenkranz, eine
Litanei und das AblaĂźgebet gebetet. AnschlieĂźend verabschiedeten sich die Teilnehmer mit einem kur-
zen, stillen Gebet an der Bahre und besprengten diese mit Weihwasser. Einige Männer aus der Nach-
barschaft hielten dann noch Totenwache bis zum Morgen.
Abweichungen von der traditionellen Totenwache ergab der Krieg. FĂĽr Gefallene wurde ein Trauergot-
tesdienst gehalten. Kriegsopfer von 1945 wurden meist in Notgräbern beigesetzt und erst später in den
Friedhof ĂĽberfĂĽhrt.
(Josef Hutz, St. Lorenzen a. W. 1990)
Mit der Errichtung von Aufbahrungshallen und Totenkapellen in den Ortsfriedhöfen begann ab 1960
der Brauch der häuslichen Totenwache zu verschwinden. Dem offiziellen Gebot zur Nutzung dieser
43 „einen weißen Kaffe“ (Schunko, Petersbaumgarten).
Aufbahrung des mit neun Monaten
verstorbenen Ernstl Reisner, um 1880
(Privatarchiv Matthias Reisner,
Kirchberg a. W. – Puchberg a. Schneeberg) Aufbahrung des mit sieben Monaten
verstorbenen Ernsti Ungerböck, 1955
(Götzendorf – Gschaidt, Familienbesitz)
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Untertitel
- Das Geistliche Lied
- Band
- 1
- Autoren
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 648
- Schlagwörter
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: Leichhüatlieder, bäuerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- AbkĂĽrzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das Begräbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hüat- / Leichwåcht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register für das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der Liedanfänge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- Sängerinnen, Sänger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640