Seite - 35 - in WeXel oder Die Musik einer Landschaft - Das Geistliche Lied, Band 1
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2. Das Begräbnis und das Totenmahl
WĂĽnsche ich von Herzen recht viel GlĂĽck, guate Gesundheit fĂĽr des ganze Lebn,
Und vĂĽ, recht vĂĽ Gottes Segn durch a braves, frommes, christlichs Lebn.
Was an mir sterblich war, meinen entseelten Leib tuats hiazt in die Kirchn tragn
Und nĂĄcha am Friedhof in der geweihten Erd begrabn.
Mir bewahret ein ehrendes Andenken und gedenket meiner in eurem täglichen Gebet.
So jetzt geh’ ma in Gottes Namen. Also pfiat euch Gott all mitsammen,
Bis wir uns wiedersehn im Himmel obn, dort woll’ ma mitsammen in Gott Vater lobn.
(ĂĽberliefert von Peter Riegler, Kirchberg a. W. In: Huber 2, 1981, S. 45f.)
Die folgende Aufzeichnung von Josef Hutz belegt, wie von Pfarrer Schänzl bereits hundert Jahre zuvor
beschrieben, dass – im Gegensatz zu Peter Rieglers Bericht von der niederösterreichischen Seite45, wo
das Abstellen des Sarges von Haus zu Haus unterschiedlich ist – auf der steirischen Seite des Wech-
sels der Sarg über der Türschwelle stets „dreimal“ abgestellt wird:
Zum Begräbnis wurden die Teilnehmer persönlich eingeladen. Diese kamen, je nach Situation der An-
reise, entweder zum Wohnhaus oder in die Nähe der Kirche. Beim Weggang vom Wohnhaus wurde der
Sarg an der Haustüre dreimal kurz abgestellt. Die Bedeutung dieser Handlung ist nicht ganz geklärt.
Mit einiger Sicherheit war sie ein Verabschiedungszeichen beim Begräbnis von Familienvätern. Bis
einige Zeit nach 1945 wurde der Sarg vom Wohnhaus zur Kirche getragen. Später erfolgte die Über-
stellung öfter mit Pferdefuhrwerk. Immer wurde vom Wohnhaus bis zur Kirche gebetet. An Wegkreuzen
wurde der Sarg abgestellt, beziehungsweise das Fuhrwerk angehalten und der Rosenkranz durch das
AblaĂźgebet unterbrochen.
Nach dem Begräbnis wurde in der Kirche gebetet. Anschließend waren die geladenen Teilnehmer zu
einem Totenmahl, der „Zierung“, in ein Gasthaus eingeladen. Bis nach 1945 wurden die Hauptnah-
rungsmittel, wie Fleisch, Brot und Most, von den Angehörigen der Verstorbenen ins Gasthaus beigestellt.
(Josef Hutz, St. Lorenzen am Wechsel 1990)
Beim Begräbnis eines Bauern werden, wenn die Frau den Hof übernimmt, zur Familie auch alle
Grenznachbarn eingeladen. Das Laternenlicht trägt die Nachbarin, die Taufkinder tragen die Wind-
lichter. Je nachdem wer begraben wird, wird Salut geschossen, werden von der Feuerwehr oder dem
Kameradschaftsbund ehrenamtlich Kränze niedergelegt oder die Jäger werfen den „Bruch“ (Fichten-
zweig, welcher zum Zeichen der Trauer verkehrt am Hut steckt) ins Grab.
Der Gang zum Friedhof
Von den einschichtigen Häusern her zur Kirche wird die Leiche mit einem Pferdzuge zur Kirche geführt,
oder der Sarg wird am oberen und unteren Ende mit Stricken an einer entsprechend langen Stange
gebunden, und fest an der Seitenstange hängend von Männern bis zur Kirche getragen. Das Aufhängen
des Sarges an eine Stange und das solch gemäße Tragen desselben geschieht deßhalb, damit man auch
auf schmalen Pfaden, besonders bei viel Schnee im Winter, mit demselben leichter fortkommen könne.
Die Leidtragenden, eines davor mit einer gewöhnlichen Hauslaterne, darin ein Wachslicht brennt, ge-
hen hinter dem Sarge drein, und bethen laut mitsammen den Rosenkranz. Bei der Kirche angekommen
wird der Sarg mit der Leiche da erst auf die Todtenbahre gegeben, mit dem Bahrtuche bedeckt, das
Kruzifix als Leichenkreuz und eine Maria Statue darauf befestigt. Bei Kindern, wie auch bei ehrsamen
ledigen Erwachsenen wird auch eine Blumenkrone mit langen weißen Seidenbändern am Sarge be-
festigt, worauf die kirchliche Einsegnung des Leichnams erfolgt. Nach der Einsegnung wird ein 3- bis
4-stimmiges Todtenlied gesungen.
Beim Leichenzuge von der Kirche zum Friedhof wird das Kirchenkreuz vorgetragen, diesem folgen
die Chorsänger, dannach kommt der Priester mit brennender Wachskerze, dann die Träger mit dem
Leichnam auf der Bahre, darauf die Leidtragenden, zuerst die Männer-, dann die Weibspersonen, Alle
mitsammen laut den Rosenkranz bethend. Bei kleinen Kindern besorgt die erwähnte Blumenkrone wie
45 Für den niederösterreichischen Bezirk Scheibbs gibt Helmut Huber acht verschiedene Formen des Hebens und Senkens
sowie des Abstellens des Sarges ĂĽber der TĂĽrschwelle bekannt. In: Walter Deutsch: Die Volksmusik des Bezirkes Scheibbs
(= Heimatkunde des Bezirkes Scheibbs, Band 2), Scheibbs 1976, S. 169f.
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Untertitel
- Das Geistliche Lied
- Band
- 1
- Autoren
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 648
- Schlagwörter
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: Leichhüatlieder, bäuerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- AbkĂĽrzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das Begräbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hüat- / Leichwåcht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register für das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der Liedanfänge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- Sängerinnen, Sänger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640