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Der Totenbrauch
Seckauer- und Leobner-Diöcese das ganze Jahr hindurch gesungen und mit der Orgel begleitet wer-
den“ geschrieben hat, weist auf ein Bemühen hin, das Lied und den Gesang in den Kirchen der Diözese
inhaltlich wie in der Wiedergabe einheitlich zu gestalten:
Sehr erfreulich würde es für mich seyn, wenn [die Sammlung und Herausgabe dieser Kirchenlieder]
auch dazu beytrüge, mehr Einheit, sowohl, im Singen als in der Begleitung mit der Orgel zu verbreiten,
und die verschiedenen Varianten, welche sich, sey es durch Hinzuthun mancher Orgelspieler oder der
singenden Gemeinde, oder auch durch schlechte Abschriften in manchen Gegenden eingeschlichen, all-
mählich zu entfernen.63
Die Edition des „Katholischen Volksgesangbuches“ durch die beiden Weltpriester aus der Seckauer
Diözese, Franz Schönberger und Joseph Wallner, im Jahre 1856 hebt die zwanzig Jahre zuvor ange-
strebte Vereinheitlichung des Kirchengesanges wieder auf. 220 Lieder, vereint in drei Abteilungen,
sind zu „Festen und heiligen Zeiten“, „zum Gebrauche bei Wallfahrten und Prozessionen“ und „bei
verschiedenen Andachten und Gelegenheiten“ zu singen. Neben diesem „Volksgesangbuch“64 sind
im Wechselgebiet auch die zeitgleich dazu entstandenen Sammlungen von „Wallfahrtsliedern“ und
„Geistlichen Volksliedern“ aus der Diözese St. Pölten65 als Quellen zum Liedgut nachzuweisen.
Zur gattungsspezifischen Differenzierung dieser Lieder werden inhaltsbezogene Termini heran-
gezogen, wie sie in der deutschsprachigen Liedforschung und deren Sammlungen als Begriffe vor-
liegen und durch das 1990 veröffentlichte „Informationssystem für Volksliedarchive in Österreich
– INFOLK“66 in Österreich festgelegt sind. Die Zuordnung des jeweiligen Liedes bietet jedoch keine
schlüssige Erklärung für die Liedauswahl der jeweiligen Sängerinnen. Die musikalische und textliche
Begleitung der Trauer über einen Verstorbenen erwächst innerhalb des tradierten Rituals aus dem
individuellen Empfinden der Gruppe. Der kaum zu überblickende Volksgesang ist von eigenen Wegen
der Überlieferung und Vermittlung geprägt. Dies belegen die hier vorliegenden poetisch-musikali-
schen Beispiele, welche vielen Generationen Hilfe und seelische Stütze im Angesicht des Todes und in
der Bewältigung des Abschiednehmens waren.
5.1 Abschiedslied
Vielgestaltig sind die Abschiedsformeln, welche in persönlicher Anrede an die Hinterbliebenen gerich-
tet sind. Stellvertretend für den Toten wird durch die Sängerinnen an dessen Bahre gesungen und
von Haus, Hof und Feld, von Ehefrau und Kindern sowie den Freunden, Nachbarn und „Gödenleut“
Abschied genommen. In diesem persönlichen Verabschieden wird der Priester nur in drei der 192 auf-
gezeichneten Leichhüatlieder erwähnt,
Wo ist der Priester, er kommt schon herfür, o Königin.
(Das Kranksein ist eine harte Buß – Lied Nr. 21, Str. 6, Zle. 1)
Der Priester, er kimmt a no herfür.
(Gedenk, o Mensch, was tuast auf da Welt – Lied Nr. 54a, Textvariante 1, Str. 12, Zle. 1)
63 August Duk: Kirchenlieder, welche in der Fürst-Bischöflichen Seckauer- und Leobner-Diöcese das ganze Jahr hindurch
gesungen … Gratz 1835, Vorwort; vgl. 150 Jahre später: Einheits Gebet- und Gesangbuch der katholischen Christen im
deutschen Sprachraum: Gotteslob, Stuttgart 1975.
64 Schönberger / Wallner (1856).
65 Joseph Gabler: Katholisches Wallfahrtsbuch. Ein vollständiges Gebet- und Gesangbuch zum Gebrauche bei Wallfahrten,
Rosenkranz- und Haus-Andachten, Neuhaus 1854; Geistliche Volkslieder. Siebenhundertvierzehn religiöse Lieder mit 387
Melodien, gesammelt in der Diöcese St. Pölten, Linz – Regensburg 1890.
66 Gerlinde Haid et al.: INFOLK. Informationssystem für Volksliedarchive in Österreich. In: Jahrbuch ÖVLW 39/40, Wien
1990/91, S. 81–216.
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Untertitel
- Das Geistliche Lied
- Band
- 1
- Autoren
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 648
- Schlagwörter
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: Leichhüatlieder, bäuerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das Begräbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hüat- / Leichwåcht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register für das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der Liedanfänge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- Sängerinnen, Sänger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640