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1. Korrektur
J. L. Mayer â Irdische Lieder fĂŒr âs ewige Leben
Es ist jener spirituelle der âpietas austriacaâ, jener sich in vielen Einzelheiten des Lebens in seiner
Gesamtheit â im Festlichen wie im AlltĂ€glichen â ausprĂ€gende Stil des Frommseins in den histori-
schen LĂ€ndern des Hauses Ăsterreich. Ihre Wurzeln im spĂ€ten Mittelalter austreibend, hat diese
Frömmigkeitsform im Barock eine völlige Ausformung erfahren und eine umfassende Wirkung ent-
faltet, welche alle Schichten des Volkes umfasste und Bedingungen schaffte, an denen noch bis weit
ins 20. Jahrhundert hinein ein MaĂ zu nehmen war und durch die Verbindungen hergestellt wurden
zwischen dem âHeiligen und dem Profanenâ in seiner jeweiligen permanenten PrĂ€senz, deren Aufein-
ander- und Zusammenwirken auf diese Weise wahrgenommen und bedacht werden konnte. Und diese
Bedingungen schufen und waren auch Lebensbedingungen. In diesen Lebensbedingungen hat auch
der Tod und der Umgang mit ihm seinen so festen wie notwendigen Platz.
Anna Coreth, welche grundlegende Untersuchungen zur âpietas austriacaâ vorgenommen hat, weist
derselben definitorische Erscheinungen zu. Diese Erscheinungen ergeben in ihrem Vollzug jene Ge-
samtheit, welche als eigenstÀndige Form gelebter Frömmigkeit, gelebten Frommseins in unverwech-
selbarer Weise dem âĂsterreichischenâ â verstanden als kulturelles wie als geographisches PhĂ€no-
men â zugewiesen werden kann.119
1. Die âpietas eucharisticaâ: in ihr wird das Augenmerk in besonderer Weise auf das Allerheiligste
Altarsakrament gelenkt, die Anwesenheit Gottes im Sohne und in dessen Fleisch und Blut. Im
Kirchenraum prÀsent ist die Eucharistie im Kelch, aus welchem den GlÀubigen die Kommunion
gereicht wird und in der Monstranz, worin Jesu Fleisch in Gestalt des Hostienbrotes am Altar zur
Anbetung ausgesetzt wird.
2. Die âfiducia in crucem Christiâ: sie beruht auf dem Vertrauen in das Erlösungswerk Jesu Christi,
vollzogen in seinem Tod am Kreuze, welchem demnach eine fundamentale und vielschichtige Zei-
chenfunktion zukommt. Die Passio Domini, das Leiden Jesu an eben diesem Kreuz, wird in diesem
Zusammenhang zum besonderen Betrachtungsgegenstand. In die Betrachtung des letztlich sieg-
reichen Leidens des Erlösers bringt sich der glÀubige Mensch selbst in seinem Denken und seinem
FĂŒhlen ein.
3. Die âpietas Marianaâ: Maria, die jungfrĂ€uliche Mutter Gottes in dessen Sohnesgestalt wird als
geistliche Mutter aller Menschen betrachtet, als jene, die einerseits ebendiese Menschen mĂŒtter-
lich tröstet, andererseits aber als Königin des Himmels bei ihrem göttlichen Sohn unendlich viel
vermag an FĂŒrsprache fĂŒr die sich sĂŒndig wissenden Menschen. Ihre Verehrung zieht jene der
gesamten âHeiligen Sippeâ nach sich: Joseph, den Ehemann, Anna, die Mutter Mariens und GroĂ-
mutter Jesu â und etlicher anderer in Ăsterreich bedeutsamer Heiliger, wie Leopold, Antonius,
Teresa von Ăvila.
Alle diese Spezifika der âpietas austriacaâ kommen sowohl im ganz AlltĂ€glichen zur Geltung als auch
im Feierlich-Festlichen: im Kreuz, welches im âHerrgottswinkelâ hĂ€ngt, oder im StoĂgebet âJessas-
marandjosephâ (Jesus, Maria und Joseph) oder âMarandannaâ (Maria und Anna), in den Liedern zur
hĂ€uslichen FrömmigkeitsĂŒbung, im Besuch von Segens- und Maiandachten zu Ehren der heiligen
Eucharistie und der Gottesmutter Maria.
Im Gegensatz zu manchem philosophischen Dictum â von der Antike bis zu Wittgenstein im 20.
Jahrhundert â erkennt der âhomo religiosusâ den Tod sehr wohl als Teil seines Lebens. Als jenen Teil,
der teilt: sein irdisches von seinem geglaubten und erwarteten nichtirdischen Leben. Zu diesem nicht
119 Anna Coreth: Pietas Austriaca. Ăsterreichische Frömmigkeit im Barock. Zweite erweiterte Auflage. Verlag fĂŒr Geschichte
und Politik, Wien, 1982, S. 3. Anna Coreth (Innsbruck 1915 â 2008 Innsbruck) â Historikerin, Direktorin des Ăsterreichi-
schen Haus-, Hof- und Staatsarchivs.
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Untertitel
- Das Geistliche Lied
- Band
- 1
- Autoren
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 648
- Schlagwörter
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: LeichhĂŒatlieder, bĂ€uerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- AbkĂŒrzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das BegrÀbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hĂŒat- / LeichwĂ„cht-Liadln â Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register fĂŒr das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der LiedanfÀnge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- SĂ€ngerinnen, SĂ€nger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640