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WeXel oder Die Musik einer Landschaft - Das Geistliche Lied, Band 1
Seite - 469 -
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469 J. L. Mayer – Irdische Lieder fĂŒr ’s ewige Leben Strophe, in seinem inhaltlichen Aufschwung vom Irdischen zum Himmlischen, in einer Variante des so typischen Stoßgebetes „Jessasmarandjoseph“. In dieser Art der Eingewobenheit erweisen sich die kennzeichnenden Merkmale der österreichi- schen Frömmigkeit als PhĂ€nomene, die aufgrund ihrer steten PrĂ€senz und somit ihrer stĂ€ndigen VerfĂŒgbarkeit die Möglichkeit schaffen, sie frei zu handhaben. Das bedeutet, dass in vielen Zusam- menhĂ€ngen auf sie nach Bedarf zurĂŒckgegriffen werden kann, ohne dass dadurch ein gedanklicher Bruch entstĂŒnde. Ein hohes Maß an gestalterischer und somit geistiger Freiheit ist hier, wo Phantasie und AssoziationsfĂ€higkeit wesentlich sind, wohl unumgĂ€nglich. So offenbaren diese nach außen hin so schlichten Lieder in ihrer frei zu handhabenden Gebunden- heit an die großen und bedeutsamen SĂ€ulen der „pietas austriaca“ nicht zuletzt eine FĂ€higkeit der Menschen, welche sich der Formen- und Ausdruckssprache dieser österreichischen Frömmigkeitsform bedienen, GesamtzusammenhĂ€nge zu schaffen. Zum Ersten solche zwischen den hier Lebenden zu den schon dort Lebenden. Dieses ist möglich, weil das „Hier“ und das „Dort“ als folgerichtig zusammengehörig zu verstehen sind. Der Tod bildet gleichsam die Naht, welche sowohl trennt wie auch verbindet. „Welt“ als Gesamtheit hat eine „reale“, das heißt irdische Seite und eben gleichermaßen als „Himmel“ eine mystische. Des Weiteren entsteht ein Zusammenhang zwischen allen, die als menschliche Geschöpfe leben, zu Gott als dem Schöpfer allen Lebens und damit zu seinen Heiligen, auf deren verstĂ€ndnisvolles FĂŒrsprechen gehofft werden darf. So erklingen diese Lieder letztendlich in dreierlei Hinsicht: fĂŒr die Dahingegangenen nĂ€mlich ebenso wie fĂŒr die vorerst noch Verbliebenen, die ja auch – und wie lange wird es denn noch dauern – Dahingegangene sein werden und fĂŒr den Lieben Gott im Kreise seiner Heiligen – die Gottesmutter Maria ihnen allen voran. Und sie erklingen als Lob, Dank und gleichzeitig als Bitte. Das Singen solcher Lieder ist damit nichts weniger als Teil einer ReprĂ€sentation. Und diese ist, wie es der fĂŒr die Fragen der österreichischen IdentitĂ€t so wesentliche Historiker und Kulturphilo- soph Friedrich Heer verstĂ€ndnisvoll ausdrĂŒckt, jene „große ReprĂ€sentation, die einst durch Liturgie, sakrale Prozession, ‚Welttheater‘ vielfach, nicht nur am kaiserlichen Hof, als eine Manifestation des ganzen Menschenlebens erlebt wurde“.121 Das ganze Menschenleben: das ist ebendieses Leben in der FĂŒlle seiner Gesamtheit von irdisch und ewig, in seinen BezĂŒgen zum Profanen und zum Heiligen, in der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Davon wird fromm gesungen auch in diesen Liedern zum „LeichwĂ„chtn“ – und sei es auf noch so be- scheidene Weise, welche sich aber gegebenenfalls zur grandiosen Kunst auswachsen kann, wie es das Wirken von Persönlichkeiten wie Joseph Haydn und Anton Bruckner, die Kinder vom Land, belegt. Das Singen vom Tod ist als Singen vom Leben zu begreifen. Und wovon da gesungen wird, das ist auch ebendieses Leben, in dem die Menschen, welche es leben, um die Beherrschung einer gleichsam nach dem Vorbild des dreieinigen Gottes dreieinig zu handhabenden Kunst bemĂŒht sind: der „ars amandi, der ars vivendi und der ars moriendi“122. Das BemĂŒhen um jene sich in dieser dreifachen Weise entfaltenden Kunst findet im Raum eines „Zustandes des sich Auskennens“ statt. Darinnen erzĂ€hlen die Menschen einander unter Bezugnahme auf ihnen vertraute Beziehungsgeflechte, die durch bestimmtes Verhalten vor der Allgemeinheit zum Ausdruck kommt, die lebenswichtigen wahren Geschichten vom Leben. Und diese sind gerade angesichts des Todes und eines toten Menschen, wie es die niederösterreichischen und steirischen Lieder zum „LeichwĂ„chtn“ zu zeigen ver- 121 Friedrich Heer: Der Kampf um die österreichische IdentitĂ€t, 1. Auflage. Wien, Böhlau, 1981, S. 436. 122 Vgl.: Friedrich Heer: Der Kampf um die österreichische IdentitĂ€t. A.a.O., S. 114.
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WeXel oder Die Musik einer Landschaft Das Geistliche Lied, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Untertitel
Das Geistliche Lied
Band
1
Autoren
Erika Sieder
Walter Deutsch
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79584-1
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
648
Schlagwörter
Wechselgebiet, Geistliches Lied: LeichhĂŒatlieder, bĂ€uerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. AbkĂŒrzungen 10
  2. Zum vorliegenden Band 12
  3. Die Landschaft 18
  4. Der Totenbrauch 24
  5. 1. Die Totenwache 26
  6. 2. Das BegrÀbnis und das Totenmahl 33
  7. 3. Das Singen 38
  8. 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
  9. 5. Die Liedgattungen 47
  10. Die Sammlung: Lei(ch)hĂŒat- / LeichwĂ„cht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
  11. Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
  12. Johannes Leopold Mayer
    1. Irdische Lieder fĂŒr ’s ewige Leben – gesungen „sub pietatis austriacae“ 465
  13. Zusammenfassung
    1. Deutsch, Englisch, Kroatisch, Polnisch, RumÀnisch, Slowenisch, Tschechisch, Ungarisch 471
    2. Melodienregister 487
    3. Siglen zu den verwendeten Quellen 513
    4. Literaturverzeichnis 522
    5. Wörterbuch 542
  14. Register fĂŒr das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
    1. a) Rotten, Viertel, Orte und Gemeinden 585
    2. b) Personenregister 592
  15. Allgemeines Register
    1. a) Ortsregister 601
    2. b) Personenregister 607
    3. Sachregister 613
    4. Register der LiedanfÀnge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
    5. Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
    6. SĂ€ngerinnen, SĂ€nger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
    7. Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
    8. Autoren und Mitarbeiter 640
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