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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts Im Juni 1906 begann der knapp 21-jährige Berthold Viertel ein blaues Heft von etwa 60  Seiten mit Analysen seiner Kindheit und seines Geworden-Seins zu füllen : Wer bin ich ? Was habe ich bisher aus meinem Leben gemacht ? Was habe ich mir vorzuwerfen ? Welche Hoffnungen bleiben mir ? Aus meiner frühesten Kindheit entsinne ich mich eines Einsamkeits-Bewußtseins, vieler schöner Träumereien, glaube mich einer tiefen Gottes-Bangigkeit, eines Got- tesbewusstseins, Gottes-Erfülltseins zu entsinnen. […] Einstmals, mit ungefähr sieben Jahren, log ich verleumderisch und stürzte daraus in abgründigen Ekel vor der eigenen Existenz, der sich bis zu einschneidender Ver- neinung des ganzen Lebens steigerte […]. Mit neun Jahren ließ ich mich in der Schule zu widerwärtigem Benehmen verleiten und inszenierte daraufhin wieder einen psychischen Weltuntergang. Mit fünf Jahren kam ich in eine Spielschule. Ich entsinne mich der wunderfreudi- gen Erschütterung beim Anblick der vielen Kinder und des Spielzeugs. Mit sieben Jahren schlafend bei den Großeltern zurückgelassen, erwachte ich und hatte Verlassenheitsgefühle, auch Ekel vor der Ärmlichkeit dieses Haushaltes. Am nächsten Vormittage hohes Glücksgefühl, da mir lateinische Lettern beigebracht wurden, auch wegen eines Geographiebuches mit Menschenrassen-Bildern. Wunder- bare Ehrfurcht vor dem Bilde des »Kaukasiers«, stolzer Vergleich mit den anderen Typen. Mit meinem vierten Jahr verlor ich meine Amme […]. In der Volksschule verwundertes Hinstarren auf das sichere, kecke Auftreten eini- ger Jungen aus reichem, arischen Hause.1 Das Heft wurde mit Tod der Lüge überschrieben und ist die früheste erhaltene autobiografische Quelle. Viertel war damals dabei, sich einer Gruppe kritischer Intellektueller zuzuordnen, die Freiheiten und Veränderungen in diversen ge- sellschaftlichen Bereichen einforderte und nicht nur die geistige Präsenz der aufkommenden Psychoanalyse ist in seinen Texten ablesbar. Das tagebuchartige blaue Notizheft, das bis etwa 1909 unregelmäßig und unmethodisch fortgeführt wurde, beschrieb, abseits von den zitierten Kindheitserinnerungen, wesentliche 1 BV, Tod der Lüge, 1. Tagebuchblatt am 5. Juli 1906, 69.3142/1, K28, A : Viertel, DLA.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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