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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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Galizien »Dynastien sind also Familien, die jeden Bankrott zu überdauern hoffen«1  – kann daraus geschlossen werden, dass andere Familien das Leben realistischer einzuschätzen wussten ? Viertels eigene Herkunftsfamilien, die Familie Klausner mütterlicherseits und die Familie Viertel väterlicherseits, glaubten in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durchaus an »österreichischen Illusionen« : Sicherheit, Aufstieg, Erhalt. In der Hoffnung auf Verbesserung ihrer Lebensum- stände zogen sie aus Randgebieten des Reiches in die Haupt- und Resi denzstadt Wien. Mitte des 19. Jahrhunderts waren beide Familien noch im heutigen süd- lichen Polen, in der weiteren Umgebung von Krakau zu verorten. Sie stammten damit vorwiegend aus dem habsburgischen Kronland Galizien und Lodomerien, also aus einer für Berthold Viertel bereits sehr »fremden Welt« im Osten des Vielvölkerstaates.2 Mit »Galizien« und den ihm zugerechneten »Shtetln« des »Ostjudentums« ist bis heute ein multiethnischer, rückschrittlich-fortschrittlicher Mythos konno- tiert, der sich schwer analytisch durchdringen lässt. Zum einen galt dieses Kron- land als das wirtschaftliche Schlusslicht des Reiches, als kaum industrialisiertes »Armenhaus Europas«, als das »Sibirien« der Habsburgermonarchie mit hohem Analphabetismus, stets mit Elend, Schmutz, Hässlichkeit, Barbarei und Welt- ferne assoziiert. Zum anderen machten seine großen Ölvorkommen Galizien zum »österreichischen Texas« und Städte wie Lemberg oder Krakau waren kosmopolitische Zentren.3 Für Berthold Viertel, der den galizischen Ursprungsorten seiner Familie erst- mals im Ersten Weltkrieg begegnete, hatte einzig der in Ostgalizien geborene Schauspieler Alexander Granach in seiner Autobiografie Da geht ein Mensch (1945) dieses Land vorurteilsfrei, ungeschminkt und unbeschönigt, aber auch liebevoll »in seiner sozialen Realität und religiösen Irrealität erfasst und wiedergegeben«.4 Aber auch das ist selbstverständlich Teil eines Mythos. 1 Ibid. 2 Hödl, Klaus, Als Bettler in die Leopoldstadt. Galizische Juden auf dem Weg nach Wien, Wien/ Köln/Weimar 1994. 3 All diese Attribute und Topoi werden in der Literatur zu Galizien immer wieder genannt. Vgl. Aus- stellung »Mythos Galizien«, Wien-Museum in Kooperation mit dem International Cultural Centre in Krakau (Kraków), 26.  März 2015 bis 30.  August 2015 ; Doktoratskolleg der Universität Wien https://dk-galizien.univie.ac.at/kurzbeschreibung/ (zuletzt : 01.12.2016). 4 BV, Alexander Granachs Autiobiographie. Einführung eines ungedruckten Buches, in : Kaiser/Ro- essler (Hg.), Viertel, Überwindung, 1989,165.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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