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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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Familie Adler Es war noch immer »höchste Pubertät«1, als Berthold Viertel in seinen letzten Gymnasialjahren Karl Adler  – »blondlockig, schlank, von ungewöhnlicher Schönheit«2  – kennenlernte. Karl war der jüngste, inzwischen weitgehend ver- gessene Sohn3 des sozialdemokratischen Politikers Victor Adler und besuchte das nahegelegene Realgymnasium in der Marchettigasse. Mit ihm zusammen konnte Viertel seinen »jugendlichen Kulturanarchismus« erst richtig ausleben. Wo und wie die beiden Schüler sich erstmals begegneten, ist nicht bekannt : »Als sich unsere Wege kreuzten, mussten wir aneinander stoßen«, hielt Karl Adler viel später in einem Brief an Viertel fest. Er bezeichnete Berthold darin als seinen »ersten und wohl letzten«, seinen »einzigen« Freund.4 Auch für Vier- tel war es die erste »große Freundschaft«, die »mächtige Erfahrungen« be- wirkte :5 »Mein Freund war schön und hochherzig, ich liebte ihn. Er war der göttliche Beginn. Von ihm sollte eine neue Schöpfung ausgehen.«6 Die Begegnung mit Adler fiel in eine Zeit, in der »das Zuhause«, Berthold Viertel schon »längst Problem geworden [waren], unhaltbarer Zustand, schiefe Lage, ein Entarten, Abfallen.«7 Die Eltern sahen in ihrem Sohn »einen hoff- nungslos Entgleisten, einen zukünftigen Außenseiter der menschlichen Gesellschaft«8. Und so sah sich Berthold Viertel auch selbst : »Meine Psycholo- gie war damals zweifellos der eines Verbrechers nur zu ähnlich.«9 Er identifi- zierte sich mit Mördern, verlorenen »Söhnen« und Ausgestoßenen der Gesell- 1 BV, Die Stadt der Kindheit, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 101. 2 Soyka, Otto, Erinnerungen ans Café Central, in : Lynkeus, Heft 16/17, Frühjahr 1981, 45. 3 Über Victor und Friedrich Adler und ihre Vater-Sohn-Beziehung wurden außergewöhnlich we- nige Bücher und Studien verfasst, doch noch ungewöhnlicher ist, dass Karl Adler darin kaum zum Thema wurde. Viel zitiert blieb nur ein Satz, in dem Victor Adler das unterschiedliche Verhältnis zu seinen Söhnen auf den Punkt bringen wollte : »Der eine [Fritz] ist die Karikatur meiner Tugen- den, der andere [Karl] meiner Laster.« (Braunthal, Victor und Friedrich Adler, 1965, 276 ; Ardelt, Friedrich Adler, 1984 und Meysels, Victor Adler, 1997) Gerade über Karls Person öffnen sich neue Perspektiven auf die Familie Adler und die anscheinend so anarchische, internationalistische und »gottlose« Sozialdemokratie (BV, Der Mitschüler Hitler, in : Kaiser/Roessler (Hg.), Viertel, Über- windung, 1989, 127). 4 Karl Adler an BV, 2. Mai 1924, 80.1.424/1, A : Viertel, Salka, DLA. 5 BV, Tod der Lüge, 1. Tagebuchblatt am 5. Juli 1906, 69.3142/1, K28, A : Viertel, DLA. 6 BV, Paris, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 141. 7 BV, Tod der Lüge, 1. Tagebuchblatt am 5. Juli 1906, 69.3142/1, K28, A : Viertel, DLA. 8 Werter, Der Kamerad in : Neues Österreich, 28.11.1954. 9 BV, Die Septima, o.D., o.S., NK09, A : Viertel, DLA.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Titel
Berthold Viertel
Untertitel
Eine Biografie der Wiener Moderne
Autor
Katharina Prager
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
368
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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