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5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19. Jahrhunderts
Innerhalb der Habsburgermonarchie herrschte zwischen den einzelnen Ländern zur
Mitte des 19. Jahrhunderts ein beträchtliches sozio-ökonomisches Entwicklungsgefälle,
dessen Grundcharakter sich – trotz zum Teil erheblicher Verbesserungen – bis zur Auf-
lösung des Reiches auch nicht mehr wesentlich ändern sollte.1 Hinter dem oberflächlich
politisch geordneten Länderkonglomerat verbarg sich noch weit über die 1848 einge-
leitete Grundentlastung hinaus eine nahezu unüberschaubare Vielzahl struktureller
Eigenheiten (insbesondere mit Blick auf die vorangegangene individuelle Agrarverfas-
sung der in concreto betroffenen Region), welche auf die ökonomische Situation des
jeweiligen Kronlandes und ihre weitere Gestaltung einen entscheidenden Einfluss aus-
übten.2 Um
– ohne diese Details völlig auszublenden
– trotzdem eine handhabbare Ver-
gleichsübersicht der allgemeinen Situation zu gewinnen, versuchte etwa David F. Good
in seiner Wirtschaftsgeschichte des Habsburgerreiches jeweils mehrere Kronländer in
ihren strukturellen Ähnlichkeit zu gruppieren (vier Regionen für die österreichische
Reichshälfte und drei für die Länder der Stephanskrone). Galizien und die Bukowina
werden dabei unter dem Begriff ›Karpatenländer‹ als Makroregion subsummiert.3 Da-
mit entspricht Good weitgehend einer Gliederung, die auch zeitgenössische Autoren
bereits vorgeschlagen hatten.4 Der wirtschaftliche Schwerpunkt dieser Region lag auf
der Erzeugung von Nahrungsmitteln, im Wesentlichen in Form von Vieh und Ge treide.5
Charakteristisch für die im Vergleich zu den westlichen Regionen sichtbare ökono-
mische Rückständigkeit war eine dementsprechend geringe Agrarproduktivität, ein
schwach ausgebildeter sekundärer wie tertiärer Sektor sowie eine auffällige Dichotomie
von urbanen Zentren und ländlichem Raum.6 Damit glich die Situation in der Bukowina
im Großen und Ganzen einem Bild, das auf weiten Strecken für die ökonomische Lage
Osteuropas zu diesem Zeitpunkt typisch war.7
Zusammen mit Galizien und Dalmatien gehörte die Bukowina also zu jenen Teil-
räumen der Monarchie, deren »rückständige Form der Wirtschaftsführung« (eine Ein-
1 Rumpler & Seger (Hg.) 2010, Gesellschaft.
2 Grünberg 1899, Grundentlastung, 2 ; im Überblick Vilfan 1973, Agrarsozialpolitik.
3 Good 1986, Aufstieg, 23,
4 Umlauft 1897, Monarchie ; Zeehe et al. (Hg.) 61919, Vaterlandskunde.
5 Good 1986, Aufstieg, 27.
6 Vgl. dazu u.a. die Betriebsgrößenangaben bei Bruckmüller 2010, Arbeitswelten, 298 ; die augen-
fällige Dichotomie der Karpatenländer Galizien und Bukowina wurde auch in der Reiseliteratur
immer wieder thematisiert, etwa bei K. E. Franzos, zit. nach Scharr 2010, Landschaft, 82 ; oder
Sölch 1911/12, Tschernowitz.
7 Müller 2004, Nachzügler, 12.
Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Titel
- Der griechisch-orientalische Religionsfonds der Bukowina 1783–1949
- Untertitel
- Kontinuitäten und Brüche einer prägenden Institution des Josephinismus
- Autor
- Kurt Scharr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20927-0
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 447
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit! 11
- Einleitung 13
- 1. Vorwort 13
- 2. Institutionen als Forschungsgegenstand: Analyse & Methodik 18
- 3. Aspekte des Josephinismus. Der katholische Religionsfonds 34
- 4. Gründung des griechisch-orientalischen Religionsfonds 43
- 5. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds Mitte des 19
- 6. Nationsidee, Kirche & Religionsfonds 116
- 7. Die wirtschaftliche Situation des Religionsfonds bis 1914 215
- 8. Fondul Bisericesc Ortodox Român 1918–1948 246
- 9. Die wirtschaftliche Situation um 1938 289
- 10. Hebel strukturellen Wandels : Jakobeny – Dornawatra (1784–1949) 306
- 11. Zusammenfassungen 340
- I. Verzeichnis ungedruckter Quellen 371
- II. Abbildungsverzeichnis 377
- III. Abkürzungsverzeichnis 380
- IV. Literaturverzeichnis 381
- V. Personenregister 433
- VI. Synoptische Ortsnamenkonkordanz 439