Page - 230 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

230 August 1872 205 210 215 220 225 230 gehalten worden – 3. weil durch das alte und baufällige Positiv die Andacht mehr verhindert, als befördert wird, ich aber dadurch öffentlich blosgestellt worden – 7.  weil sich ein grosser Widerwill geäusert, wenn ich von meiner Arbeit etwas aufgeführt habe; 8. weil man wenig oder nichts auf die zum göttlichen Preise an- gestellte Figuralmusik wendet, indem es an nöthigen musikalischen Instrumenten fehlt; 10. weil man mich so schlecht menagirt hat“ und so weiter, bis 16. und letz- tens: „weil man mir nicht nur alle Fehler, die auf dem Chore vorgehen, beimisset, sondern auch die geringsten hoch aufmutzet“. Besonders ärgerte ihn, daß man ihn zwang, Arien eines gewissen Anton Ernst Kopp, damals Cantors in Schemnitz, aufzuführen, welcher „seine Sichel in eine fremde Ernte schlägt, welches weder er einem andern Cantori zu Schemnitz, noch die Herren Schemnitzer den Preß- burgern zustehen würden, dafür sich diese bey jenen dergleichen unterfingen“. (Mattheson bezeichnet die Arbeiten dieses Kopp als „mitleidenswerth“.) Am 1.  März 1735 bat Francisci um seine Entlassung und lebte dann zwei Jahre als Pri- vatmann in Neusohl: „wobey ich denn erfuhr, daß neben die 3 Hauptstrafen: Krieg, Hunger und Pestilentz, billig die vierte zu setzen, nämlich Processe zu füh- ren“ (er machte nämlich gegen seine Preßburger Committenten Rechtsansprüche). Am Trinitatis-Sonntage 1737 trat Francisci bei der evangelischen Gemeinde zu Neusohl in Dienste, die dortigen Kirchenbücher würden wohl nachweisen, wie lange er dann noch gelebt und wann er sein „letztes Lamento gesungen“. Denn glücklich scheint er nicht gewesen zu sein. „Die allerunglückseligste Art des Un- glücks“, sagt er, „ist an sein vergangenes Glück zurückzudenken.“ (Ob er Dante’s berühmten Vers wohl gekannt: nessun maggior dolore u. s. w.? Schwerlich!) In Preßburg wirkt dermal unter Leitung trefflicher Männer ein Kirchen- musikverein, dem es in der That gelungen, die „Stimmen der Ohim und Zihim in ein liebliches Alleluja zu verwandeln“, und die Kirchenmusik im Dome ist dort sehr gut bestellt. Ob sich im Musikarchiv des Domes nicht noch Compositionen von Johannes Francisci finden, aus denen sich beurtheilen ließe, ob und inwieweit die Preßburger von 1733 bis 1735 mit ihrem „großen Widerwill“ Recht hatten? Erläuterungen 5 Johannes Francisci] (1691–1758), Komponist und Organist. ◼ 11–16 Hochedler … mögen sein.] Ambros stützt sich in seinem Aufsatz auf Franciscis autobiographische Aufzeichnungen in: Johann Mattheson, Grundlage einer Ehren-Pforte […], Hamburg 1740, S.  76–86. Sämtliche von Ambros angeführten Zitate (einschließlich Briefstellen) sind dieser Quelle entnommen. ◼ 19f. Ci git Piron, … académicien] „Ci gît Piron qui ne fut rien / Pas même académicien.“ („Hier liegt Piron, der nichts war, nicht einmal Mitglied der Akademie.“) – Autoepitaph des frz. Schriftstellers Alexis Piron (1689–1773). ◼ 25 Erasmus] Erasmus Francisci (1627–1694), dt.  Polyhistor. ◼ 26–28 sein Lebenslauf, … geschildert hat] → Erl. zu den Z. 11–16. ◼ 33 Neusohl] Banská Bystrica (heute in der Slowakei). ◼ 40 Johann Burius] (1636–1689), Kirchenhistoriker, evangelischer Pfar- rer. ◼ 41 Pilarik] Ján Pilárik (um 1660–um 1708), Schriftsteller; Vertreter des Pietismus, 1703– 1708 Rektor in Neusohl. ◼ 50–52 in jenem … Briefe Mozarts] Gemeint ist das von Friedrich Rochlitz gefälschte „Schreiben an den Baron von …“, in dem er Mozarts vermeintliche Antwort auf die Frage nach dem Schaffensvorgang „wiedergibt“ und damit einen Mythos der Mozart-Re- zeption in Umlauf setzt. AMZ 17 (1815), Nr.  34, 23.  August, Sp.  561–566, hier Sp.  561. Wahrschein-