Page - 276 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

276 Oktober 1872 40 45 50 55 60 65 70 75 80 schönen Styls geboren werden ließ, wie Löwe der Periode des reichen Styls an- gehört. Ich werde mich hier, wie natürlich, wohl hüten über Zumsteeg etwa Notizen zu bringen die man in jedem musikalischen Lexikon findet – über seine intime Jugendfreundschaft mit Schiller in der Karlsakademie und so weiter bis zu seinem Tode, der ihn am 27.  Jan. 1802 im 42.  Lebensjahr zu Stuttgart ereilte. Der Nachruf den ihm damals die Leipziger musikalische Zei tung widmete, rühmt von ihm daß Mozart und Jomelli der Gegenstand seiner begeisterten Verehrung und seine Muster gewesen. In der That merkt man seiner Musik das Concordat welches er zwischen dem deutschen und dem italienischen Vorbild in seinem Innern schloß recht sehr an. Die etwas schwächliche Anmuth, die sogenannte „Singbarkeit,“ und die etwas wasserhelle Klarheit, wo man sie bei ihm findet und wodurch er sich den Zeitgenossen ganz besonders angenehm machte, kommt so ziemlich auf Jomelli’s Rechnung, für den man damals in Stuttgart schwärmte – was Zumsteeg für uns noch werthvoll und genießbar macht, sind die Mozart’schen Elemente seiner Musik, die zum Glück als die vorwaltenden erscheinen. Man verabscheute damals in Stuttgart – nach Goethe’s Bericht – deutsche Musik, und folglich auch Mozart: „aus den brillanten Zeiten des Herzogs Karl, wo Jomelli die Oper dirigirte, ist der Eindruck und die Liebe zur italienischen Musik bei älteren Personen hier noch lebhaft verblieben …. alle sprachen mit Entzücken von jenen brillanten Zeiten in denen sich ihr Geschick zuerst gebildet, und verabscheuen deutsche Musik und Gesang.“ Den schärfsten Ausdruck fand die Stuttgarter Jomelli-Anbetung und Mozart-Verabscheuung in den berufenen „Briefen über den Geschmack in der Musik“ von dem königlich württembergischen Hofmusicus J.  B. Schaul, für welchen Jomelli ein „Gott der Harmonie“ ist, dagegen „Mozarts Harmonie hart, gesucht“ u. s. w. So schrieb Goethe 1797, und Schaul gar noch 1809 – es ist natür- lich daß sich Zumsteeg dem Jomelli-Cultus nicht entzie hen konnte, aber es ist kein kleines Verdienst daß er sich den klaren Blick für die Bedeutung des ver- lästerten und verketzerten Mozart nicht trüben ließ – schon dieser eine Umstand kennzeichnet ihn als echten Künstler! Wenn bei Zumsteeg das Hauptgewicht auf die Ballade fällt, so dürfen wir bei ihm nicht vergessen daß er, so wie Löwe, nicht bloß Balladencomponist war. Löwe hat neben seinen Balladen und Liedern, wie bekannt, auch Oratorien componirt, in welche aber der Balladenzug merkwürdig genug hinüberspielt, ferner Clavier- sonaten, eine „Frühlingssonate,“ deren einleitendes Adagio doch wieder nur die verheimlichte Gesangscomposition eines Uhland’schen Gedichts ist, dessen Verse ausdrücklich beigeschrieben worden – und eine andere Sonate, die ein kleines an sich unbedeutendes Thema durch alle Sätze festhält, ein Kunststück in welchem in alter Zeit Josquin de Près, in mittlerer Zeit J.  S. Bach, in neuer Zeit Beethoven das Staunenswertheste geleistet hat, das zu bewältigen aber Löwe der Mann nicht war. Zumsteeg seinerseits hat neben seinen Balladen und Liedern einige Opern compo- nirt, welche auch, soweit sie uns bekannt geworden, eine den Balladen völlig ver- wandte Schreib- und Ausdrucksweise zeigen – so eine verschollene Jugend-Oper „Armida,“ welche sein Talent zuerst in entschiedener Weise gezeigt haben soll, Gotters „Geister-Insel“ (nach Shakespeare’s „Sturm“ frei gedichtet), „das Pfauen-