Page - 463 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

463 Juni 1873 145 150 155 160 165 170 175 180 185 Prof. Fischhof ausdrückte, „eigener Verhältnisse wegen, die ihm geboten, den Auf- enthalt in einer größeren Stadt als Leipzig aufzuschlagen“, den Plan, in die Kaiser- stadt zu übersiedeln. Er kam, sah, daß Wien ihm kein Terrain biete, und kehrte nach Leipzig zurück. Kurz, Leipzig wurde der musikalische Vorort. Wer in Deutschland musikalisch gelten wollte, mußte von dort aus seinen Ruf gründen; der Componist, der seine gedruckte Composition möglichst verbreitet wünschte, mußte sie in Leipzig verlegen. Die Folgen zeigten sich. Die Componis- ten klopften vor Allem in Leipzig an. Eine ganze Schaar Musikzeitungen entstand in Leipzig (die von Chrysander redigirte „Allgemeine Musikzeitung“ mit großer Auszeichnung zu nennen), daneben in neuer Zeit allerlei entschlossene Parteiblät- ter, während in Wien die Musikjournale von Schmied, Luib u. s. w. eines nach dem andern auslöschten wie Lampen, deren Oel ausgegangen. Diese Leipziger Blätter waren und sind ein gewaltiger Hebel für den dortigen Verlag. Sie stehen meist im Sold oder unter dem Patrocinium einer der dortigen Firmen, deren Interessen dann natürlich die ihren sind. Sie werden sich hüten, auswärtige Concurrenz zu begünstigen. Daher schweigen sie gerne z. B. über Wiener Verlagswerke – auch über ganz bedeutende! – und wenn sie ein Mal nicht schweigen, so muß man wünschen – sie hätten lieber geschwiegen. Die enorme Thätigkeit der musikalischen Presse in Leipzig förderte natürlich auch den technischen Theil der Sache. Es ist merkwürdig und schlimm genug, daß auch die Wiener Verleger, wollen sie anders ihre Verlagswerke schön und würdig erscheinen lassen, ihre Zuflucht nach Leipzig zu den dortigen Notenstechern und Notendruckern nehmen müssen. Mit vergrößerten Verlagskosten natürlich und mit Zeitverlust! Und nicht bloß die Wiener Musikverleger sind gezwungen diesen Weg zu gehen. Schlagen wir eines der bei G.  Heckenast in Pest erschienenen, schön ausgestatteten Musikhefte auf, etwa eine der trefflichen Compositionen von Robert Volkmann, die sämmtlich dem eben genannten Verlage angehören, und wir lesen: „Stich und Druck der Röder’schen Officin in Leipzig.“ Die Prager Ver- leger, deren Thätigkeit freilich kaum nennenswerth ist, lassen ebenfalls den Stich und Druck ihrer musikalischen Artikel in Leipzig besorgen. Nicht genug daran! Da ist der Verlag von J.  G. Cotta in Stuttgart, also eine berühmte Großmacht! Cotta hat mit Hilfe Liszts, Bülows, Starcks und Leberts eine vortreffliche Ausgabe classischer Pianofortemusik publicirt: Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, C.  M. v.  Weber. Es ist eine Freude, die prächtigen Hefte anzuschauen. Wir schla- gen auf – „Stich und Schnellpressendruck der Röder’schen Officin in Leipzig“ Hic et ubique! Die wohl eingerichteten Institute der letzteren Stadt haben endlich auch jene epochemachenden Wohlfeilausgaben ermöglicht, womit die Firmen Peters, Littolff, Breitkopf u. a. nicht nur so enorme Geschäfte machen, sondern auch für die Verbreitung der musikalischen Classiker sehr segensreich wirken. Wenn trotzdem der Wiener Musikverlag die Concurrenz nicht scheut und thä- tig bleibt, wenn wir sogar größere Werke, welche weder dem flüchtigen musikali- schen Tagesbedürfnisse dienen, noch eben ganz wohlfeil sein können, erscheinen sehen, Partituren, wie z. B. Julius Zellners erste Symphonie, dessen „Melusina“, sein Pianoforteconcert (sämmtlich bei J.  P. Gotthard) u. A. m., so verdient der Muth und die Thätigkeit alle Anerkennung. Um aber in der großen Musikstadt par excel-