Page - 503 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

503 August 1873 120 125 130 135 140 145 150 155 160 Rußland jetzt sehr in Aufnahme. Die Petersburger Fabrik von C.  M. Schröder producirt jährlich an 300 Instrumente; man rühmt höchlich deren ganz ausge- zeichnete, solide Haltbarkeit. Moskau besitzt die Pianofortefabrik von Sturzwage. Dieselbe liefert eine relativ nur beschränkte Anzahl von Flügeln, welche aber in Moskau und den umgebenden Provinzen wegen ihres vollen Tones und der Dauer- haftigkeit ihrer Construction ungemein geschätzt sind. Polens renommirteste Pianofortefabrik ist die von Krall und Seidler in Warschau; sie zählt nur etwa 45  Arbeiter, liefert aber jährlich an 140 Instrumente, deren brillanter Ton und ele- gante Form sie in große Gunst gesetzt hat. Eine zweite Fabrik in Warschau, jene von A.  Hofer, producirt jährlich mehr als 100 elegante, solide Instrumente, welche sich in Polen einer bedeutenden Verbreitung erfreuen. Auch die Fabrik Malecki in Warschau ist hier zu nennen. J.  Haas in Odessa hat neben seiner eigenen Fabrik ein sehr großes Lager französischer, englischer und americanischer Klaviere, die sich ihm zum Theile durch Vermiethung rentiren. In St.  Petersburg ist das Piano- fortelager von C.  M. Schröder das größte. – Dies wäre ein flüchtig skizzirtes Bild über den jetzigen Stand des Pianofortebaues in Rußland, ein Bild, welches hier zu geben wir uns nicht versagen konnten, da es Biedermänner giebt, die sich einbil- den, in Rußland sei die Balalajka das erste und einzig nennenswerthe Instrument. Was Beckers Klaviere betrifft, so lernten wir sie zuerst in der verflossenen Saison in Herrn Blumners Concert kennen, wo ein solcher Flügel die Concurrenz mit dem Glanz und der Fülle der Blasinstrumente in Hummels prächtigem Septett rühm- lichst bestand. Die gute Meinung, welche wir damals faßten, ist durch die Instru- mente der genannten Firma in der Weltausstellung nur noch erhöht worden. Aus Brüssel treffen wir Instrumente von J. Florence, B.  Koch und Arnhem [sic]. Von Florence sind zierliche, nicht eben stark, aber angenehm klingende Pia- ninos da – die eigenthümliche Hämmermechanik des einen liegt offen zu Tage. Unter den Schweizern nennen wir Heller [sic] in Zürich, dessen mit einer elektri- schen Batterie verbundenes Klavier, das jeden angeschlagenen Ton mit einem springenden elektrischen Funken markirt, wir unter die Curiosa höherer Ordnung einreihen. Die Züricher Huni und Hubert, B. [sic] Escher, Trost und Comp. sind durch schöne Instrumente repräsentirt. In Italien ist es vorzüglich das vom he- rüberwirkenden deutschen und französischen Geist mannigfach berührte Turin, dessen Instrumente nennenswerth sind. Ein dänisches Pianoforte konnte uns nur mäßige Anerkennung abgewinnen. Von den Americanern glänzt leider Steinway durch seine Abwesenheit – die Instrumente von G.  Steck aus New-York, über die man uns allerlei Schlimmes ins Ohr raunen wollte, haben, wie wir hier offen be- kennen, uns sehr behagt – besonders ein mit dem Namen Ihrer Excellenz der Frau Baronin Helfert als Käuferin bezeichneter Flügel, dessen wahrhaft singender Ton den darauf gespielten Cantilenen einen eigenen Wohlklang gab. Dabei fanden wir die Klangfarbe sehr sympathisch, den Ton zart und kräftig zugleich, und den Vor- wurf, den wir irgendwo gehört haben, als lasse das präcise Abspringen der Häm- mer nach angeschlagener Saite zu wünschen übrig, haben wir, als wir das Instru- ment mit eigenen Händen prüften, durchaus nicht bestätigt gefunden. Kurz, wir glauben der Firma Steck mit voller Achtung und vollem Antheil gedenken zu müs- sen, und ihr allerdings gefährlicher Rival Steinway konnte ihr schon darum bei