Page - 509 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

509 September 1873 65 70 75 80 85 90 95 100 105 ein Versuch, dem wir in keiner Weise absprechen wollen, daß er dem Fleiße, Eifer und Scharfsinn seines Erfinders alle Ehre macht, den wir aber mit gutem Gewissen unmöglich als einen gelungenen bezeichnen können und der sicherlich keine Zu- kunft hat, sondern nur in der Geschichte des Geigenbaues eine an sich recht lehr- reiche und interessante, aber vorübergehende Episode bildet. Die alten Amati und Straduari und Guarneri werden durch die neuen Stourdza schwerlich aus dem Felde geschlagen und schwerlich überflüssig werden. Den Werth der alten Cremoneser Geigen begreift auch Thomas Zach in Wien vollkommen, welcher seine Geigen nach dem System Joseph Guarneri’s baut. Wie sehr es sich ihm lohnt, bewies der weiche, süße und doch kraftvolle Ton der Geige, welcher Junck die empfindungsvollen Melodien der Ernst’schen Elegie entlockte. Mit der Geige Zachs wetteiferte eine nicht minder vortreffliche von Lemböck in Wien. Wir verließen Oesterreich und eilten nach Frankreich und Belgien. Zunächst pochten wir bei Vuillaume in Brüssel an – leider ward uns, dem Spruche des Evan- geliums straks zuwider, nicht aufgethan. Der Schutzengel der Vuillaume’schen Geigen versicherte uns im feinsten Französisch und mit der feinsten Höflichkeit: „Herrn Vuillaume’s Geigen seien bereits geprüft, es bedürfe keiner weiteren Prü- fung, und Herr Vuillaume habe bereits 1867 in Paris die große Medaille erhalten.“ Hac galea contentus abito, dachte ich, der ich die Unart habe, daß mir alle Augen- blicke ein Vers Virgils oder irgend eines anderen lateinischen Poeten durch den Kopf fährt. Wir zogen also ab – nicht sowohl, wie die Italiener in solchen Fällen sagen, colle trombe in sacco als vielmehr coi violini nello scrigno. Dankbar erinnerte ich mich aber, daß es die Firma Vuillaume war, deren Zuvorkommenheit es dem gelehrten Savart möglich machte, eine große Anzahl von Violinen von den ersten Meistern bis ins Detail hinein genau untersuchen und dadurch für die Kenntniß der Akustik der Geigeninstrumente überaus wichtige Resultate gewinnen zu können. In Italien war an fix und fertigen Geigen nicht viel zu holen, das weiland Vaterland der Künste hat, so wie es keinen Donatello, Ghiberti und Luca della Robbia für die Sculptur mehr aufweisen kann und statt der Meisterwerke jener hohen Künstler fast nur noch kindische Marmorgruppen oder seltsame Ungeheuer- lichkeiten schafft, auch keine Amati und Guarneri mehr – aber die Saitenfabrica- tion excellirt noch heute in hohem Grade. Nord-America nahm uns, völlig zum Gegensatze Belgiens, mit offenen Armen auf – der Glasschrank der „Kaisergeige“ that sich auf. Ich gestehe, daß ich vorläu- fig einiges Mißtrauen empfand – der Barnum-Styl, in welchem uns diese Geige als ein bares Meerwunder nebst Preisansatz von 10.000 Dollars angekündigt wurde, hatte sie nicht sonderlich empfohlen. Vielleicht, daß diese Art, eine neue Sache beim Publico bekannt zu machen, in America nützlich und nöthig ist; wir in Europa goutiren dergleichen einstweilen noch nicht – ich sage einstweilen, denn gehen die Sachen so fort und weiter, wie wir dazu alle Hoffnung haben, so dürften binnen Kurzem auch wir in der Reclame das Ausgezeichnete leisten. Mit Vergnü- gen constatire ich, daß uns Gemünders Kaiservioline in der That und auf das an- genehmste überraschte. Zwar scheint es mir zu hoch gegriffen, wenn sie sich an