Page - 510 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

510 September 1873 110 115 120 125 130 135 140 145 150 Werth und Schönheit den alten, echten Cremoneserinnen so ohne weiters an die Seite setzen will, aber ein vortreffliches Instrument ist sie. Sie bewährte uns ihre singende Seele insbesondere an einem Beethoven’schen Adagio. Neben der New-Yorker Violine sind in einem anderen, tischähnlichen Glas- kasten Cithern von Franz Schwarze aus Washington ausgestellt. So hat denn dieses für höhere Tonkunst eigentlich unbrauchbare Instrument seinen Weg aus den Alpen bis America gefunden! Die Cither findet ihre Gönnerinnen an zwei entge- gengesetzten Polen der Gesellschaft, sie ist das Instrument der Alpenmirzeln in der Almerhütte und der jungen Comtessen im Salon, – was zwischen beiden musicirt, läßt sie so ziemlich unbeachtet. Ländler und ähnliche Dinge nehmen sich darauf in der That gar hübsch aus und man kann mit Vergnügen einmal zuhören. Ein russischer Instrumentenmacher Arhusen hat den Versuch gemacht, die Cither mit einer Art Tambourin zu verbinden, um die Schallkraft durch das gespannte Fell zu verstärken. Ich kann nicht sagen, daß diese „Verbesserung“ wirklich eine solche sei. Ein Mädchen – nach der Tracht eine Steiermärkerin – spielte das Arhusen’sche Instrument sehr hübsch und mit einer Art Virtuosität; ich fand aber den Ton klein, schärflich und dem gewohnten, gleichsam metallisch flimmernden Citherton nicht ebenbürtig. Außerdem sind Cithern von dem tüchtigen Schunda aus Budapest da; von letzterem auch ein schönes Cimbal, ein Instrument, das wir für unsere Orchester allerdings auch nicht brauchen können, dessen Werth und Wirk- samkeit man aber in den originellen ungarischen Stücken der Zigeunermusikan- ten schätzen lernt, wo es geradezu entzückend wirkt, wenn seine raschen Passagen wie sprühende Feuerfunken zwischen den gezogenen Geigentönen spielen oder den raschen Wirbel irgend eines „Csardas“ bis zum Bacchantischen steigern helfen. Jedenfalls hat der alte Ottomar Luscinius Unrecht, wenn er in seiner Musurgie (1536) sagt: „instrumentum ignobile propter ingentem strepitum vocum“. Der deut- sche alte Name „Hackbrett“ klingt freilich auch nicht eben fein. Die Italiener sagen artiger: Salterio tedesco und im 14.  Säculum war es in Italien das Instrument der feinen Welt, – auf Orcagna’s berühmtem „Triumph des Todes“ spielt es eine Hofdame in vornehmster Gesellschaft, was mit dem modernen Citherspiel der jungen Comtessen gewissermaßen harmonirt. Die edle Pisanerin spielt ihr Salterio aber nicht mit Holzklöppeln, sondern mit der bloßen Hand. Daß unser Klavier nicht aus dem Monochord, sondern aus dem Psalter entstanden, das man zu meh- rer Bequemlichkeit mit Tasten ausstattete, wie eine Statue des Königs David an der Certosa bei Pavia (aus dem 15.  Jahrhundert) deutlich und zweifellos zeigt, möchte kaum zu bestreiten sein, obwohl mein werther Freund Oscar Paul in seiner „Geschichte des Klaviers“ es nicht recht Wort haben will. Ein eigenthümlicher Apparat ist eine Claviatur (nicht mehr) von Baumann und Szlezak aus Preßburg, mit deren Hilfe man ein Tonstück beliebig transponi- ren kann, d. h. in einer andern Tonart spielen als geschrieben. Für Leute, welche über die sechs Kreuze der „Frühlingsnacht“ von Schumann in einige Desperation gerathen, ist die Sache ohne Zweifel sehr willkommen; sie spielen ein ungefährli- ches G-dur mit seinem Solokreuzchen und es erklingt Fis-dur. Im Ganzen möchte ich aber solche Lotterbettlein musikalischer Bequemlichkeit nicht sonderlich loben. Ein guter Musiker muß endlich auch im Stande sein zu transponiren und