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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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1. Images , Stereotype und Vorurteile 36 Missstände im europäischen Mutterland  –, geriet Amerika bereits ins Visier europäischer Kultur- und Gesellschaftskritik. Die ersten naturwissenschaftlichen Reiseberichte eines Alexander von Humboldt64 enthielten zunächst noch kein greifbares Bild des gesellschaftlichen ( Nord- )Amerika. Nachdem aber bereits Goethe „Amerika als Zukunftsland , als Land einer neuen Kultur“65 bezeichnet und Grillparzer geäußert hatte , man müsse nach „Nordamerika emigrieren , um Gedankenfreiheit zu haben“,66 folgten bis Mitte des 19. Jahrhunderts eine Vielzahl an zunächst begeisterten Berichten , Studien , Reiseschilderungen und Romanen.67 Und auch Friedrich Schlegel erklärte noch 1828 in einer Vorlesung an der Wiener Universität , dass die Vereinigten Staaten für Frankreich und den Rest Europas „the real school and nursery of all these revolutionary principles“68 wären. Dessen ungeachtet grassierten in Europa seit dem 18. Jahrhundert Vorstellungen von der degenerierten Fauna und Flora der Neuen Welt.69 Insbesondere waren es französische Aufklärer und Naturwissenschafter wie Voltaire , Raynal oder Comte de Buffon , die mit ihren verächtlichen , stereotypen Ansichten gegenüber der Neuen Welt gewissermaßen die Urform eines philosophischen beziehungsweise naturwissenschaftlich geprägten An- tiamerikanismus schufen.70 So konstatierte etwa der französische Naturforscher de Buffon , dass Amerika , „viel zu spät aus der Sintflut aufgetaucht [ … ] und damit noch feucht“71 sei. Die publizierten Vorurteile der europäischen Aufklärer gegenüber Amerika wurden dabei 64 Hierbei konzentrierte sich Humboldt allerdings primär auf das „äquatoriale Amerika“, wobei er schließ- lich in den 1850er Jahren auch die Ostküste der Vereinigten Staaten bereiste. Vgl. Herbert Christ , „Aber schauen ist nicht beobachten“. Alexander von Humboldt und Alexis de Tocqueville als Beobachter in Ame- rika. In : Fremde Texte verstehen. Festschrift für Lothar Bredella. Hrsg. v. Herbert Christ / Michael K. Le- gutke , Tübingen 1996 , 291 ff. bzw. 293. 65 Zit. nach : Gottfried Berger , Amerika im XIX. Jahrhundert. Die Vereinigten Staaten im Spiegel zeitgenös- sischer deutschsprachiger Reiseliteratur , Wien 1999 , 48. 66 Franz Grillparzer in einem Brief an seinen Freund Beethoven in den 1820er Jahren. Zit. nach : Wilder E. Spaulding , The Quiet Invaders. The Story of the Austrian Impact upon America , Vienna 1968 , 55. 67 So z. B. Gottfried Duden in einem „Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten Nordamerikas“ und einen mehrjährigen Aufenthalt am Missouri , 1829. Dieses Buch wurde dann von Auswanderungsa- genturen in zahlreichen billigen Nachdrucken massenhaft verbreitet. Siehe : Manfred Durzak , Perspektiven des Amerikabildes , historisch , gegenwärtig. Reisen in der Zeitmaschine. In : Sprache im technischen Zeitalter , 56 , 1975 , 298. 68 Friedrich von Schlegel , The Philosophy of History , New York 1841 , 2 , 272. 69 Vgl. Rubin / Rubin , Hating America , a. a. O., 7 ff. 70 Philipp Roger , Aufklärer gegen Amerika. Zur Vorgeschichte des amerikanischen Antiamerikanismus. In : Thadden / Escudier ( Hrsg. ), Amerika und Europa  – Mars und Venus ? , a. a. O., 18 ff. 71 Zit. nach : Thomas Fröschl , Antiamerikanismus in Europa und Lateinamerika. Sieben historische Dimensi- onen. In : Thomas Fröschl ( Hrsg. ), Atlantische Geschichte (= Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit , 3. Jg., 2003 , Heft 2 , 84 ; siehe dazu weiters : Thomas Fröschl , Historical Roots of the European Anti-America- nism in the 18th and 19th Centuries. In : Draxlbauer / Fellner / Fröschl ( Eds. ), ( Anti- )Americanisms , a. a. O., 60 f.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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