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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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53 Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre Besonders verabscheuungswürdig schienen aus europäischer Sicht auch so manche „ty- pisch“ amerikanische Umgangsformen , die zwar „egalisierend“, aber dennoch minderwer- tig wären , wie insbesondere der Gebrauch von Zahnstochern oder Kaugummi : „Nur eine Nation , die ästhetisch gesehen in der Barbarei lebt , kann sich dem Kaugummi erge- ben. [ … ] Es gibt Leute die Gummi kauen und den Zahnstocher im Munde halten  – doppelt hohe Seligkeit !“157 Ähnliche wertkonservative Argumente wie Halfeld publizierte auch der spätere Berater des Vizekanzlers Franz von Papen , Edgar Julius Jung , in seinem Buch „Die Herrschaft der Minderwertigen“, worin er die kulturelle Amerikanisierung als „seelische Selbstaufgabe alter Kulturvölker“158 bezeichnete und einer bloß technischen „Zivilisation“ ( nämlich der Amerikas ) die ( europäische ) „Kultur“ gegenüberstellte. Als Gegenbild zu einer statischen , agrarisch strukturierten , traditionell hierarchisch ver- fassten Gesellschaft wurde das expandierende , inter- und polynationale Amerika mit all seinen negativ angesehenen Attributen zur „Chiffre für vorbehaltslose und bindungslose Modernität“,159 zum Angsttraum und Feindbild für die Vertreter national-völkischer Ideale. Dessen ungeachtet gab es korrespondierend zum großen Publikumserfolg amerika- nischer Massenkultur ,160 insbesondere im Bereich der Kinofilme ,161 auch  – quer durch die Lager  – Gegenstimmen , die sich um die Propagierung des „American way of life“162 157 Weltbühne 17 , 1921 , 102. Zit. nach : Adelheid von Saldern , Überfremdungsängste. Gegen die Amerikani- sierung der deutschen Kultur in den zwanziger Jahren , a. a. O., 231. 158 Edgar Julius Jung , Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall und ihr Ablösung , Berlin 1927 , 207 f. 159 Detlev J. K. Peukert , Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne , Frankfurt a. Main , 1987 , 179. 160 So wurde 1929 in Essen die erste Produktionsstätte für Coca Cola eingerichtet , das nach Auffassung des Unternehmenspräsidenten Robert Woodruff „the essence of American capitalism“ darstellte. Siehe : Ralph Willet , The Americanization of Germany , 1945–1949. 2. Aufl., London  – New York , 1992 , 12. 161 Die insbesondere von jüdischen Emigranten sehr stark geprägte Entwicklung des Hollywood-Kinos schuf die attraktive Imago eines auf individueller Leistung des Einzelnen beruhenden Amerikas , wo „natio- nale Herkunft oder andere Identitätsmerkmale“ für die Entwicklungsmöglichkeiten des Einzelnen keine Rolle spielen würden : „Der in Hollywood erfundene amerikanische Westen war ein Ort , an dem Neuan- kömmlinge die Vergangenheit abstreifen und sich einen Ruf schaffen konnten , der nur auf ihren Leistun- gen beruhte.“ Leon Bostein , Hollywood und die Geburt des audiovisuellen Amerika. In : Werner Hanak ( Hrsg. ), Bigger than Life. 100 Jahre Hollywood. Eine jüdische Erfahrung. Anlässlich der Ausstellung „Bigger than Life“. 100 Jahre Hollywood. Eine jüdische Erfahrung. Jüdisches  Museum Wien , 19. Oktober 2011–1. April 2012 , Berlin 2011 , 26. 162 So meinte der SPD-Bildungsbeauftragte Hans Siemsen , Bruder der Pädagogin Anna Siemsen , 1921 in der Weltbühne ( in Bezug auf den Weltkrieg ) ironisch : „[ … ] Hätte der Kaiser Jazz getanzt  – niemals wäre das alles passiert ! Aber ach ! Er hätte es nie gelernt. Deutscher Kaiser zu sein ist leichter , als Jazz zu tan- zen.“ Und der Jesuitenpater Overmanns sah in der Amerikanisierung des Geistes ein probates Gegen- mittel gegen deutsche Schwerfälligkeit und Weltfremdheit. Siehe : Jakob Overmanns , Amerikanisierung
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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