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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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1. Images , Stereotype und Vorurteile 64 nen enthusiastischen Befund aussprach , wie Jahrzehnte zuvor schon Alexis de Tocqueville , der  – im Unterschied zu Europa  – den Bildungsstand ( der weißen Bevölkerung ) in den Vereinigten Staaten als „überall gleichermaßen hoch“206 eingeschätzt hatte : „Wenn irgend ein Volk auf der ganzen Erde von der Wichtigkeit allgemeiner Volksbildung durchdrungen ist , so ist es sicherlich das amerikanische. [ … ] Der Amerikaner läßt sich selten eine Gelegenheit entgehen , seine Bildung zu bereichern. Einen Arbeiter , der nicht regelmäßig seine Tageszeitung liest , habe ich während meines vierzigjährigen Aufenthaltes in den Verei- nigten Staaten noch nicht gesehen. Selbst der am Ende der Zivilisation wohnende Urwaldfar- mer ist Abonnent eines der vielen Wochenblätter , die an Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit des Lesestoffes die europäischen Zeitungen weit übertreffen. [ … ] Das Sprichwort ‚Schuster bleib’ bei deinen Leisten‘ , das fossile Professoren und aufgeblasene Würdemeier in Deutsch- land höher strebenden , aus der unteren Volksschicht stammenden Jünglingen verächtlich zu- zurufen pflegen , hält der Amerikaner für den Ausdruck gemeiner Gesinnung. [ … ] Der Yankee ist kein Kleinkrämer , noch viel weniger aber ein Neidhammel ; dadurch unterscheidet er sich vorteilhaft von dem eingewanderten Deutschen. Schule , Kirche und Presse machen ihn be- ständig auf die Tatsache aufmerksam , daß dem Mutigen und Strebsamen die Welt gehört und daß der Amerikaner berufen ist , alle sozialen Fragen im Sinne der Demokratie zu lösen und so der übrigen Menschheit als nachahmungswürdiges Muster zu dienen.“207 [ Hervorhebung d. Verf. ] Im Unterschied zu den positiven Berichten deutschsprachiger Volksbildner und Bildungs- reformer über die edukativen Leistungen Nordamerikas betrachtete man auf amerika- nischer Seite das kontinentaleuropäische Bildungssystem , vor allem das autoritäre und bürokratische deutsche Schulsystem , zunehmend unter kritischen Gesichtspunkten.208 Die 1902 publizierte Vergleichsstudie eines englischen Autors kritisierte an der deutschen Schule die „vollständig ausbleibende Eigeninitiative der Schüler , die vorauseilende Men- talität der staatlichen Pflichterfüllung , die Diskriminierung der weiblichen Schülerschaft und die strikte Separation zwischen Elternhaus und Schule.“209 206 Herbert Christ fasst die positive Beobachtung Tocquevilles folgendermaßen zusammen : „Man findet daher in der einfachsten und einsamsten Blockhütte von weißen Siedlern ebenso wie in städtischen Wohnungen Zeitungen und Bücher ; man findet überall nicht nicht nur einen vergleichbaren Informa- tionsstand , sondern auch eine vergleichbares Warenangebot.“ Zit. nach : Christ , „Aber schauen ist nicht beobachten“. Alexander von Humboldt und Alexis de Tocqueville als Beobachter in Amerika , a. a. O., 302. 207 Prof. Karl Knortz ( Evansville , Indiana ), Wie in Amerika die allgemeine Volksbildung gefördert wird. In : Ernst Schultze / G. Hamdorff ( Hrsg. ), Archiv für Volksbildungswesen aller Kulturvölker. Bd. 1 , Hamburg 1907 , 303–312. 208 Gerhard Th. Mollin , Amerikanische Spiegelungen  – das Deutschlandbild in den USA 1870–1918. In : Dan Diner ( Hrsg. ), Deutschlandbilder (= Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte. Bd. XXVI ), Tel Aviv 1997 , 107. 209 Füssl , Deutsch-Amerikanischer Kulturaustausch im 20. Jahrhundert , a. a. O., 34.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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