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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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1. Images , Stereotype und Vorurteile 76 Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund und den enormen Einwanderungswellen aus Süd- und Osteuropa starteten private Bildungsorganisationen und US-Regierungsstellen ein großangelegtes Programm zur kulturellen Assimilierung der Immigranten , die zu „guten Amerikanern“ gemacht werden sollten. In sogenannten „Americanization-Schools“ hat- ten Kinder , Jugendliche und erwachsene Einwanderer Englisch-Sprachkurse zu belegen , amerikanische Geschichte zu lernen und sich mit den Grundsätzen der amerikanischen Demokratie vertraut zu machen. Neben dem Ziel einer Integration in die plurale ameri- kanische Zivilgesellschaft beabsichtigten diese edukativen Maßnahmen einer politischen Bildung  – die auch führende amerikanische Intellektuelle wie Horace Mann begrüßten  – freilich auch , dass die Immigranten im Zuge dieses Amerikanisierungsprozesses ihre Her- kunftskultur im Sinne eines multiethnischen „Melting Pots“ allmählich aufgeben sollten.272 Angefangen vom Kindergarten , über Public Schools , Public Libraries bis hin zu Erwachse- nenbildungsangeboten der „National Education Association of the United States“ ( NEA ) sollten alle Bildungsagenturen des Landes dieser kulturellen Assimilierung zuarbeiten , was offenkundig so durchschlagend gelang , dass die NEA bereits 1908 davor warnte , dass die rapide Amerikanisierung der Einwandererfamilien die traditionellen Eltern-Kind-Bezie- hungen untergraben würde.273 Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das System der „Ame- ricanization Schools“ mit Unterstützung des U.S. Bureau of Education weiter ausgebaut und nun auch vom War Department im Rahmen einer Offensive zur „Good Citizenship“ begleitet , die auf die Sicherstellung national-patriotischer Loyalität und Respekt gegen- über sozialem Fortschritt zielte und leistungsfähige Bürger und unerschrockene Soldaten ( „intrepid soldiers“ ), „equipped for industry , commerce and business“ schaffen sollte.274 Angesichts der bellizistisch-martialischen Weltmachtpolitik des Deutschen Reiches ver- wandelte sich Deutschland jedenfalls zu einem Feindbild  – zum „evil empire“275  –, dem suk- zessive auch die an sich germanophilen amerikanischen Intellektuellen zunehmend kritisch gegenüberstanden. Neben dem amerikanischen Philosophen George Santayana , der , nach Studien in Göttingen und Dresden , den „deutschen Volkscharakter“ als Mischung aus „the uniforms , the music and the beer“276 zusammenfasste , sah dann etwa auch John Dewey , Lehrstuhlinhaber für Philosophie an der Columbia University und zentraler Repräsentant amerikanischer Bildungstheorie , einen tiefergehenden ideologischen Konflikt zwischen der deutschen „Kultur“ und der anglo-amerikanischen „Zivilisation“ ausgebrochen , der  – aller- 272 Jeffrey E. Mirel , Patriotic pluralism. Americanization education and European immigrants , Cambridge 2010 , 48. 273 Ebd., 57 f. 274 John C. Hennen , The Americanization of West Virginia. Creating a Modern Industrial State , 1916–1925 , Lexington 1996 , 121. 275 Detlef Junker , Politics , Security , Economics , Culture , and Society. Dimensions of the Transatlantic Rela- tions. In : Detlef Junker ( Ed. ), The United States and Germany in the Era of the Cold War. A Handbook. Vol. 12 , Cambridge 2004 , 2. 276 Zit. nach : Zacharasiewicz , Das Deutschlandbild in der amerikanischen Literatur , a. a. O., 117.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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