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NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus
bewusster Anlehnung an negative Kulturstereotypen nun wieder verstärkt auf die apost-
rophierte „amerikanische Kulturlosigkeit“ gegenüber der großen Tradition Deutschlands ,
wobei , wie Gassert meint , Goebbels Kalkül , den „völligen Mangel an Kultur“ zum Thema
der antiamerikanischen Propaganda zu machen „jedenfalls teilweise auf[ ging ].“349
In Tornisterschriften350 sowie zahlreichen ideologischen Propagandapamphleten zog
man nun alle Register. So wurde etwa der „USA-Zivilisation“ in der vom „Reichsführer
SS“ herausgegebenen Schrift mit dem Titel „Amerikanismus – eine Weltgefahr“ jegliche
Kultur abgesprochen , und „alles , was in den USA an sogenannter Kultur geschaffen wur-
de“, europäischem Einfluss zugeschrieben ;351 denn : „Die Leistung ganzer Generationen
europäisch-nordischer Menschen würden ihren Sinn verlieren , wollte man die technische
Barbarei der USA-Zivilisation überhaupt als Kulturfaktor ansprechen.“352
Mit Goethe-Zitaten im Mund wurde gegen „jüdische Schmutzfinken“ wie Heinrich
Heine oder Franz Werfel gehetzt , gegen den „jüdischen Sendungsanspruch einer ange-
maßten demokratischen Mission“, gegen die „Heuchelei amerikanischer Kultur“, gegen
„blutleeren Liberalismus“ respektive „blutleere Allerweltsmenschen“, gegen „Nigger krei-
schenden Jazz“, sowie
– amüsanterweise
– auch gegen die „völlige Uniformität der [ ameri-
kanischen ] Kleidung“353 polemisiert.
Anhand der von „Juden“ und „Freimaurern“ proklamierten universalen Gültigkeit von
Freiheit , Fortschritt und Vernunft , der bis auf den „Friedensapostel“ Jefferson zurückge-
henden „missionarischen Überzeugung , dass diese „politischen Ideale [ … ] richtig für alle
Völker und Länder“354 wären , zeige sich die „demokratische [ … ] Fassade“ des „krassesten
Imperialismus“355 der USA , wie auch „die sogenannte westliche Demokratie weiter nichts
[ … ] als die ungeheuerlichste Diktatur der jüdisch-amerikanischen Weltmacht.“356
Die „Enthüllung“ des „Doppelgesichts“ des „seelenlosen Dollarimperialismus“, eines
von „dunklen Hintermännern“ – „Bankhyänen“, „korrupten Politikern“, „Juden“ und „Ne-
gern“ mit „psychologischen Kniffen und Raffinessen“357 gelenkten Systems spielte dabei
im Vergleich zur Rettung versprechenden „germanischen Welt“ des Nationalsozialismus
eine zentrale Rolle. Als Kern des demokratischen Systems galt es , Freiheit und Parlamen-
tarismus als „Heuchelei“, als Trugbilder zu denunzieren :
349 Gassert , Amerika im Dritten Reich , a. a. O., 357.
350 Vgl. Colin Ross , USA. Tornisterschrift des Oberkommandos der Wehrmacht. Abt. Inland. Bd. 47 , o. O.
1941.
351 Amerikanismus eine Weltgefahr. Reichsführer SS , a. a. O., 24.
352 Ebd., 38.
353 Ebd., 30.
354 Ebd., 16.
355 Ebd., 21.
356 Ebd., 32.
357 Ebd., 26
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741