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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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1. Images , Stereotype und Vorurteile 92 bis zuletzt mit ständig neuen erfundenen Horrormeldungen wie : „Zivilbevölkerung unter Negerbewachung zu Aufräumarbeiten im deutschen Artilleriefeuer gezwungen“, „Betrun- kene Nigger morden deutsche Kinder“ oder „Verschleppung deutscher Kinder , Schokolade als Lockmittel“.372 Wie viel von diesen bizarren Gräuelmeldungen der NS-Propaganda seitens der aus- gehungerten und erschöpften Bevölkerung gegen Kriegsende tatsächlich geglaubt wurde , bleibt offen ; eine positive Einstellung zu den späteren US-Besatzern wird die NS-Propa- ganda , die  – wie dargestellt  – zu großen Teilen an bereits lange zuvor existierende Feindbil- der und Negativ-Stereotype anknüpfen konnte , aber wohl kaum bewirkt haben. Es ist daher nicht weiter erstaunlich , dass nach Kriegsende vor allem die unmittel- bar durch die NS-Propaganda und -Ideologie geprägte ältere Generation den Segnun- gen der amerikanischen Besatzungsmacht , trotz aller unwiderlegbaren Hilfeleistungen bei der Nahrungsmittelversorgung und dem materiellen Wiederaufbau , mit einer gewissen Mentalreserve begegnete , die jüngere Generation die US-Besatzungssoldaten hingegen in Form von Schokolade und Kaugummi verteilenden GI’s eher positiv erlebte und im Rückblick mit positiven Erinnerungen verknüpfte.373 Wie aus zahlreichen Interviews mit der Salzburger Nachkriegsbevölkerung hervorgeht , spukten in den Köpfen der durch zwei autoritäre Regime geprägten Generation unmittelbar nach Kriegsende durchaus noch Vor- eingenommenheit und handfeste ideologische Feindbilder vom „verjudeten , vernegerten“ und primitiven Amerika ,374 die erst allmählich , nicht zuletzt auch durch die konkreten Begegnungen im Alltag , verblassten : „Und ich muß auch nach wie vor sagen : Wir sahen in Armee in den Jahren 1944 bis 1949 , Diss., Univ. Tübingen 1995 , 86 ; zit. nach : Gassert , Amerika im Drit- ten Reich , a. a. O., 366. 372 Moltmann , Amerikaklischees der deutschen Kriegspropaganda , a. a. O., 307 ; Gassert streicht hingegen heraus , dass die NS-Propaganda weitgehend darauf verzichtet hätte , in dieser letzten Kriegsphase „ras- sistische Vorurteile der deutschen Bevölkerung gegenüber afroamerikanischen Soldaten zu mobilisieren.“ Zit. nach : Gassert , Amerika im Dritten Reich , a. a. O., 366. De facto hatte sich die nationalsozialistische Propaganda allerdings spätestens mit der Besetzung des Rheingebietes 1923 , wo durch die Franzosen angeblich „nicht-weiße Regimenter“ eingesetzt worden seien , einer aggressiv-rassistischen Rhetorik be- dient und selbst den Kontakt zur „schwarzen Rasse“ als „Kultur- und Rasseschande“ gebrandmarkt : Die Franzosen , die „Schwarze und Gelbe als ihre Hüter in die Wiege der europäischen Kultur gesetzt haben“, hätten damit  – als „weiße Neger“  – „aufgehört , ein europäisches Volk zu sein.“ [ Völkischer Beobachter , Nr. 23 , 22. Februar 1923 , 3 f. ]. Zit. nach : Christian Koller , ‚Von Wilden aller Rassen niedergemetzelt‘. Die Diskussion um die Verwendung von Kolonialtruppen in Europa zwischen Rassismus , Kolonial- und Mi- litärpolitik ( 1919–1930 ), Stuttgart 2001 , 318. Noch am 22. März 1945 erinnerte der Völkische Beobachter angesichts der vorrückenden „farbigen“ französischen und amerikanischen Soldaten auf der Titelseite an die einstige „schwarze Schmach“. Vgl. Christian Koller , Die „Schwarze Schmach“  – afrikanische Besat- zungssoldaten und Rassismus in den zwanziger Jahren. In : Marianne Bechhaus-Gerst / Reinhard Klein- Arendt ( Hrsg. ), AfrikanerInnen in Deutschland und schwarze Deutsche  – Geschichte und Gegenwart , Münster 2004 , 166. 373 Gassert , Amerika im Dritten Reich , a. a. O., 367. 374 Bauer , Welcome Ami Go Home , a. a. O., 19 f. bzw. 46.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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