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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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93 NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus den Amerikanern unsere größten Feinde. [ … ] Bis zu dem Zeitpunkt , als ich das erste Mal mit Amerikanern gesprochen habe , dann war plötzlich dieser Bann gebrochen.“375 An anderer Stelle erinnert sich eine damals 15-jährige Schülerin aus Radstadt an die ersten Begegnungen mit den amerikanischen Besatzern : „Wir haben ja von den Nazis nie etwas Positives gehört über die Amerikaner  – also ei- gentlich nur furchtbare Sachen , daß das die bösartigsten Menschen sind. Jetzt waren wir schon erleichtert , daß die wenigstens ganz normal gekocht haben [ … ]“.376 Einen positiven Effekt auf den Abbau von Vorurteilen und antiamerikanischen Einstel- lungen hatten sicherlich die trotz anfänglichen Fraternisierungsverbotes unmittelbar nach Kriegsende stattfindenden Kontakte zwischen den US-Besatzungssoldaten und der Bevöl- kerung in Deutschland und Österreich , wodurch es zur einer allmählichen „Normalisierung“ der Beziehungen kam , wie eine US-Studie bereits zwei Jahre nach Kriegsende darlegte.377 Eindrucksvoll liest sich der durch das konkrete Auftreten und die materiellen Hilfestel- lungen der GI’s induzierte Meinungsumschwung in der Erinnerungsperspektive eines zu Kriegsende 13-jährigen Mädchens aus Bischofshofen : „Ja , wir haben Angst gehabt , wir haben uns gefürchtet vor den Amis. Es hat ja bei den Natio- nalsozialisten immer geheißen , daß das ein grausames Volk ist , die Schwarzen , die Menschen- fresser. Und dann kommen da lauter ‚Nikoläuse auf Jeeps‘  – mit Schokolade und Kaugummi für die Kinder.“378 Die tiefsitzende Gespaltenheit und die Ressentiments insbesondere der Soldatengenerati- on und der durch die NS-Indoktrinierung maßgeblich geprägten Jugendgeneration gegen- über den US-Besatzern  – „das waren ganz normale Leute , nur halt doch primitiv“379  – ver- mochten das Auftreten und die besatzungspolitischen Maßnahmen der ‚saloppen Sieger‘ nur allmählich zu verändern. 375 Interview mit Herrn S., Jg. 1929. Ebd., 77. In etwas abgemilderter Form : „Für mich sind klarerweise die Amerikaner in der ersten Folge als Besatzer dagewesen , da gibt es keine Zweifel. Aber mit längerem Nachdenken , muss ich heute sagen , haben die Amerikaner für mich auch den Status von Befreiern ge- habt.“ Interview mit Herrn H., Jg. 1928. Zit. nach : Bauer , Welcome Ami Go Home , a. a. O., 78. Unter den Parteigängern und Angehörigen der Waffen-SS hat die Prägung durch die NS-Ideologie zuweilen in ambivalenten Einstellungen überdauert : „Ich habe nie Haßgefühle gehabt. Die habe ich auch jetzt nicht. Aber mögen tue ich sie heute noch nicht , die Amerikaner.“ Interview mit einem ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS , der im US-Entnazifizierungslager „Camp Marcus W. Orr“ ( Glasenbach ) interniert war , Jg. 1913 , Ebd., 95. 376 Zit. nach : Bauer , Welcome Ami Go Home , a. a. O., 24. 377 Joseph R. Starr , Fraternization with the Germans in World War II. Occupation Forces in Europe Series , Frankfurt 1947 , 23. Zit. nach : Oliver Matthias Arnold Schmidt , Civil Empire by Co-optation. German- American Exchange Programs as Cultural Diplomacy , 1945–1961 , Diss., Univ. Harvard 1999 , 96. 378 Zit. nach : Bauer , Welcome Ami Go Home , a. a. O., 24. 379 Ebd., 46.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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