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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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1. Images , Stereotype und Vorurteile 94 Wie Ingrid Bauer dargelegt hat , identifizierten sich Teile der Soldatengeneration aus- gerechnet mit jenen Teilen der neuen Machthaber , die in der NS-Propaganda besonders negativ dargestellt worden waren. Gespräche mit Kriegsheimkehrern dokumentieren den „emotionalen Schulterschluß mit den schwarzen US-Soldaten“, deren Diskriminierung in pointierter Weise auf das eigene Lebensgefühl verwies : „ ‚Es hat damals so einen Spruch gegeben : Ich Mensch zweiter Klasse. Du Mensch zweiter Klasse‘ , erzählt ein Interview- partner.  – Was das bedeute habe , fragte die Interviewerin.  – ‚Ja , daß die Neger in Amerika an zweiter Stelle waren , und wir in Österreich , weil wir den Krieg verloren haben.‘ “380 Grundsätzlich positiv standen den Amerikanern als „Platzhalter für jenes bessere Leben jenseits autoritärer Strukturen , geistiger Enge und Krieg , das Österreich erst zu realisieren galt“381 , nur jene Menschen gegenüber , die das Ende der NS-Herrschaft in Österreich als Befreiung erlebt hatten. Nach Kriegsende hatte es die US-Reeducation somit ohne Zweifel zunächst mit einer geballten Ladung an kultureller Ignoranz , politisch-rassistischen Vorurteilen und allge- meinem Bildungsdünkel gegenüber den USA zu tun. Hinzu kamen , wie Carl Zuckmayer in seinen geheimen Nachkriegsreports für die „Civil Affairs Division“ ( CAD ) des ameri- kanischen War Departments festhielt , so manche ‚realitätsfremde‘ Unterlegenheitsgefühle vieler Deutscher , die angesichts der deprimierenden sozialen und wirtschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse zuweilen in dumpfe emotionale Ressentiments umschlugen : „Man hört natürlich eine ganze Menge anderer anti-alliierter oder anti-amerikanischer Slo- gans und Worte , wenn man sich  – als Zivilist unter Zivilisten  – umhört , in Eisenbahnen , Stra- ßenbahnen , auf Ämtern , in Brot- und Kartoffelschlangen , wie z. B. : Ja , Hitler war schlecht , unser Krieg war falsch , aber jetzt tun sie dasselbe Falsche , sie sind alle gleich , es gibt keinen Unterschied , sie wollen Deutschland jetzt genauso versklaven , wie Hitler die Polen versklaven wollte , jetzt sind wir die Juden , die ‚minderwertige Rasse‘ , sie lassen uns mit Absicht aushun- gern , können Sie nicht sehen , daß dies ein Plan ist , sie nehmen uns alle unsere Erwerbsquel- len , sie lassen uns langsam sterben , die Gaskammern arbeiteten schneller [ … ]. Es gibt eine weitere  – eine primitivere Art von Haß , die von Ursachen und Ereignissen geschürt wird , wie es sie in jedem besetzten Land gibt [ … ] wie die Wut der Jungen und jungen Männer , deren Mädchen mit den ‚Herren‘ ( denjenigen , die Zigaretten und Süßigkeiten besitzen ) schlafen ,  – oder der Groll von Menschen , die auf brutale Weise und mit unnötiger Härte aus ihren be- schlagnahmten Häusern geworfen wurden  – wie es manchmal gemacht wurde , unabhängig davon , ob diese Leute Nazis waren oder unter den Nazis gelitten haben.“382 380 Ebd., 72. 381 Ebd., 74. 382 Carl Zuckmayer , Zusammenfassender Bericht über einen Auftrag in Deutschland und Österreich , No- vember 1946 bis 31. März 1947. In : Carl Zuckmayer , Deutschlandbericht für das Kriegsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika. Hrsg. v. Gunther Nickel et al., Frankfurt a. Main 2007 , 72 f.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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