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2. „Education for Victory“
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speziell unter Jugendlichen zu fördern.493 Zur Stärkung der „moral resources of democra-
cy“ folgten ein Jahr darauf zwei weitere Publikationen , nämlich „The Education of Free
Men“ und „Education and the Morale of a Free People“, die weite Verbreitung fanden
und die Argumente und programmatischen Ziele der „Education in Wartime“ prägnant
zusammenfassten. Darin wurde klar herausgestellt , worum es in dem soeben erst begonne-
nen universalen „Kampf zwischen Tyrannei und Freiheit“ vordringlich ging , nämlich um
ein klares Verständnis des eigenen Erbes ( „heritage of freedom“ ), um ein Verständnis der
eigenen Stärken und Schwächen , sowie um den „sozialen Glauben“494 an die Ideale der
amerikanischen Demokratie :
“Democracy is more than institutions and ways of life. It is a great social faith [ … ]. It is the fin-
est of all social faiths that mankind has fashioned and followed during the thousands of years of
human history. [ … ] And it will conquer , not by force of arms and the use of terror , but by the
power of its ideas and its hopes. It will conquer because it is the only social faith that can bring
justice and mercy to all men.”495 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Im direkten Gegensatz zur autoritären Struktur der totalitären Regime in Europa wurde
die Demokratie als ein unermesslich kompliziertes Unterfangen charakterisiert , dessen
manifeste Umsetzung davon abhinge , inwiefern es in den konkreten Lebensformen , dem
Verhalten , den Gefühlen und im Denken der Menschen seinen Niederschlag findet : „Let
these patterns be destroyed and democracy itself is destroyed.“496 Herausgefordert durch
die militärische und weltanschauliche Bedrohung durch Faschismus und Nationalsozia-
lismus , sich auch ideologisch klar von diesen Systemen und deren „Education to Death“497
493 Educational Policies Commission , Learning the Ways of Democracy : A Case Book in Civic Education ,
Washington D.C. 1941 , 486 f.
494 Die Notwendigkeit eines geradezu „militärischen Glaubens“ in den „democratic way of life“
– „democracy
as a fighting faith [ … ] a faith in freedom“ – hob auch Archibald MacLeish in seiner demokratiepoli-
tischen Auseinandersetzung mit der Bedrohung durch Nationalsozialismus und Faschismus hervor. Ar-
chibald MacLeish , The American Cause , New York 1941 , 42.
495 The Education of Free Men in American Democracy. Educational Policies Commission , National Asso-
ciation of the United States , Washington D.C. 1941 , 33.
496 Ebd., 48.
497 Vgl. Gregor Ziemer , Education for Death. The Making of a Nazi , New York 1941. Ziemer , früherer Di-
rektor der Amerikanischen Schule in Berlin , war es durch Bestechung gelungen , für sein Buch den Unter-
richt in deutschen Schulklassen an Ort und Stelle zu beobachten. Interessant ist in Bezug auf Österreich ,
dass in der New York Times im Zusammenhang einer kolportierten Erklärung des NS-Reichsministers
für Wissenschaft , Erziehung und Volksbildung , Bernhard Rust , zunächst in den eroberten Westgebieten
und später dann auch im „Altreich“ das „bewährte österreichische Schulsystem“ einführen zu wollen ( „the
cornerstone of Austria’s pre-World War culture“ ) „Austrifizierungstendenzen“, vermerkt wurde : „This is
not the first time the Nazis have recognized the cultural leadership of Austria. [ … ] Austria , at least as
represented by the Viennese , thus in a sense leads captive her captors , as the incredible Greeks once did
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741