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„Our Country’s Call to Service“
der US-Klassenzimmer in „battlefronts“ als durchwegs temporäre Maßnahmen für die Er-
fordernisse eins totalen Kriegseinsatzes angesehen.
In den von der Federal Security Agency des U.S. Office of Education ab 1941 in der
Schriftenreihe „Education and National Defense Series“507 herausgegebenen Büchern
und Broschüren wurde die vorgezeichnete Argumentationslinie vollinhaltlich übernom-
men und , vor allem für Lehrpersonal an amerikanischen Schulen und Ausbildungsstellen ,
darin nochmals die Unterschiede zwischen Diktaturen und der westlichen Demokratie
herausgearbeitet und verdeutlicht.508
Wie der U.S. Commissioner of Education John W. Studebaker im Vorwort zum „Pam-
phlet No. 1“ mit dem Titel „Our Country’s Call to Service“ im November 1941 schrieb ,
ginge es im Rahmen des „National Defense Programs“ nunmehr verstärkt um den Ausbau
konkreter , wohlüberlegter Maßnahmen , denn
– „patriotic enthusiasm will produce disast-
rous results“.509
Vor dem Hintergrund der Niederlage der französisch-britischen Armee in Dünkirchen
und dem Fall Frankreichs im Juni 1940 hatte unter Führung des U.S. Office of Education
im Juli dieses Jahres ein groß angelegtes Trainings- und Schulungsprogramm für die Rüs-
tungsindustrie begonnen , das von hunderten Schulen und technischen Colleges im ganzen
Land administriert wurde , und an denen bis 1941 bereits mehr als eine Million Frauen und
Männer spezifische berufliche Schulung erhalten hatten.510
Mit der im Zusammenhang des „Lend-Lease-Abkommens“ gewaltig angekurbelten
Aufrüstung wurden ab 1941 zahlreiche neue Fabrikationsstätten für die Rüstungsindustrie
errichtet. Angesichts des enormen Arbeitskräftebedarfs für die Waffenproduktion – 1500
Büros des U.S. Employment Service bemühten sich um eine landesweite Registrierung
des Arbeitskräftepotenzials –, wurde nun die „Education for Work“ in zweifacher Hin-
sicht weiter ausgebaut , um schnell und effizient auf hinreichend geschultes Personal zu-
rückgreifen zu können : einerseits in Form des „training-within-industry-programs“ und
andererseits durch die Fortführung des „school-training-programs“.511 Ein kurzer Auszug
aus der zitierten Broschüre verdeutlicht den Aktivitätsrahmen dieser beruflichen Weiter- ,
507 How to Read the News. Education and National Defense Series Pamphlet No. 16. Hrsg. v. Federal Se-
curity Agency / U. S. Office of Education , Washington D.C. 1942 ; Guidance Problems in Wartime. Ed-
ucation and National Defense Series Pamphlet No. 18. Hrsg. v. Federal Security Agency / U. S. Office of
Education , Washington D.C. 1942.
508 Education under Dictatorships and in Democracies. Education and National Defense Series Pamphlet No.
15. Hrsg. v. Federal Security Agency / U. S. Office of Education , Washington D.C. 1941 ; weiters : What
the Schools Can Do. Education and National Defense Series Pamphlet No. 4. Hrsg. v. Federal Security
Agency / U. S. Office of Education , Washington D.C. 1941.
509 Our Country’s Call to Service. Education and National Defense Series Pamphlet No. 1. Hrsg. v. Federal
Security Agency / U. S. Office of Education , Washington D.C. 1942.
510 Ebd., 11.
511 „You cannot take an unemployed shoe salesman and overnight put him in charge of an engine lathe.“ Ebd., 9.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741