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„Our Country’s Call to Service“
auch alle Ressourcen und geistigen Kapazitäten der Colleges und Universitäten zu mobili-
sieren ,516 um so sowohl den Krieg , als auch den Frieden zu gewinnen : „[ … ] to win the war
and win the peace that follows“.517 In einer Grußnote an die Konferenz ging auch Präsident
Roosevelt vage auf die angesprochene Herausforderung ein :
“We have one great task before us. That is to win the war. At the same time it is perfectly clear
that it will be futile to win the war unless during its winning we lay the foundation for the kind
of peace and readjustment that will guarantee the preservation of those aspects of American
life for which the war is fought.”518
Ähnlich sah dies auch Frederick L. Schuhmann , Autor der 1935 erschienenen Studie „The
Nazi Dictatorship“,519 der 1942 in geradezu dialektischer Form die Kernfrage des gesamtes
„Education for victory“-Diskurses , nämlich , ob die USA tatsächlich bereit wären , „[ … ] to
pay the price of victory now“, auf den Punkt brachte. Wie Schuhman ausführte , wäre ein
demokratisch geführter ( und somit aufwendiger ) Krieg – also eine tiefgehende demokra-
tische Selbstvergewisserung , voller Kräfteeinsatz in präziser Kenntnis der zu verteidigen-
den Ideale und Ziele ebenso wie Überlegungen ( „post-war-planning“ ) einer nachhaltigen
globalen Friedenssicherung nach Kriegsende bereits zur Kriegszeiten – die unabdingbare
Vorleistung für einen demokratischen Sieg : „For it is almost as certain as death and taxes
[ … ] that the winning of the war will not precede , but will follow , the formulation of our
plan for winning the peace. That will be the principal weapon of our victory.“520
516 Seit 1940 liefen an der Columbia University und am Carnegie Endowment for International Peace spezi-
elle Technik-Kurse , die auf militärische Anwendungsgebiete ausgerichtet waren , sowie Kurse , die sich
mit den sozialen Aspekten des Krieges beschäftigten ; an der Universität Chicago wurden für Mathe-
matikstudenten u. a. Kurse in Ballistik angesetzt und an der Universität Harvard beschäftigte sich eine
eigene „American Defense , Harvard Group“ mit der Ausarbeitung von landesweiten Plänen für eine
vollständige Mobilisierung der Universitätsangehörigen zu Verteidigungszwecken , und zwar in den Be-
reichen medizinische Versorgung , Flüchtlingsaufnahme und -betreuung etc. Siehe : War and Defense
Courses in Some of the Universities. In : School and Society , Vol. 52 , 7. September , 1940 , No. 1341 , 158 ;
weiters : Education for war and peace [ Sponsored by the School of Education of Stanford University with
the co-operation of the Division of Intercourse and Education of the Carnegie Endowment for Interna-
tional Peace ] Stanford 1942.
517 Raymond Walters , The Baltimore Conference on Higher Education and the War. In : School and Society ,
Vol. 55 , 17. January , 1942 , No. 1412 , 57–62.
518 Ebd., 57.
519 Frederick L. Schuman , The Nazi Dictatorship. A Study in Social Pathology and the Politics of Fascism ,
New York [ 2. Aufl. ] 1936. Auf über 500 Seiten lieferte der Chicagoer Universitätsprofessor Schuhman
hier eine elaborierte und quellengesättigte Analyse der Nationalsozialismus bzw. der nationalsozialis-
tischen Ideologie.
520 Frederick L. Schuman , Design for People’s Peace. Address before the Institute of Public Affairs , Univer-
sity of Virginia , Charlottesville , 11. Juli 1942. In : Representative American Speeches : 1942–1943 , a. a. O.,
148.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741