Page - 152 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Image of the Page - 152 -
Text of the Page - 152 -
2. „Education for Victory“
152
nierung aller anti-demokratischen Kräfte im Lehr- und Verwaltungsapparat von Schulen
und deren Ersetzung durch vertrauenswürdiges Personal ,
– die Auflösung aller faschistischen und nationalsozialistischen Jugendorganisationen und
Schaffung adäquater Jugendeinrichtungen auf demokratischer Grundlage ,
– die Erstellung eines Programms zur Lehrerfortbildung auf Basis von „international fel-
lowship and exchange , in-service training , short courses , foreign lecturers“ und Bildungs-
konferenzen ,
– der Ersatz von NS-Unterrichtsmaterialien durch geeignete neue Lehrmittel ,
– die Etablierung eines Systems der Jugenderziehung und Erwachsenenbildung mit dem
Ziel , zu einer aktiven Bürgerbeteiligung durch Diskussion nationaler und internationaler
Probleme in Schulen , Universitäten , öffentlichen Bibliotheken , öffentlichen Diskussions-
foren sowie durch Bücher und audiovisuelle Medien beizutragen.652
Kernstück des hier vorgeschlagenen Maßnahmenkataloges war die Schaffung einer per-
manenten internationalen „Organization for Education and Cultural developement“, einer
Erziehungsorganisation im Rahmen des neu zu belebenden Bundes der internationalen
Staatengemeinschaft , die die vorgeschlagenen Maßnahmen permanent supervidieren sollte.
Nach der Unterzeichnung der „Joint Declaration“ der nun mit 33 Ländern im Kampf
gegen Nationalsozialismus , Faschismus und Militarismus vereinten „United Nations“ am
1. Jänner 1942 ,653 die sich den in der Atlantik-Charta und in der „Declaration by United
Nations“ 1941 proklamierten Zielen einer friedlichen Nachkriegsordnung sowie der auf
der Kriegskonferenz in Casablanca erhobenen „Unconditional Surrender“-Forderung654
anschlossen , tauchte verstärkt die Vorstellung eines „Weltparlaments“655 – einer exeku-
tiven Agentur der internationalen Staatengemeinschaft mit Aufgabe der Sicherung des
demokratischen Wiederaufbaues , auch und besonders im Kontext der „Educational Re-
construction“.
652 Ebd., 380.
653 Darunter die Sowjetunion , China , die Niederlande , Norwegen , Polen , Belgien , Griechenland und Jugos-
lawien. Vgl. Herbert Wright , Attitude of the United States towards Austria , New York [ 1943 ] 1944 ,
106. Bei dieser Publikation des Rechtsexperten Herbert Wright , der dabei von Willibald Plöchl unter-
stützt wurde , handelte es sich um eine vom US-Kongress im März 1943 beauftragte Studie in Bezug auf
den „Anschluss“ und die Zukunft Österreichs nach Kriegsende. Siehe : Robert H. Keyserlingk , Austria in
World War II. An Anglo-American Dilemma , Kingston – Montreal 1988 , 142 f.
654 Die „Unconditional Surrender“-Formel der Alliierten auf der Casablanca-Konferenz beinhaltete immer-
hin eine vage Zielvorstellung hinsichtlich einer „Reeducation“ nach Kriegsende. Die Eliminierung der
deutschen Kriegsmacht auf Basis bedingungsloser Kapitulation bedeute , wie es im Wortlaut heißt , kei-
neswegs die Vernichtung des deutschen Volkes , sondern „it does mean the destruction of the philosophies
in those countries which are based on conquest and subjugation of other people“. Zit. nach : Siegfried Koß ,
Vorstellungen der Alliierten von Nachkriegsdeutschland. In : Aus Politik und Zeitgeschichte , B 42–43 , 1972 ,
25 f. Vgl. weiter : Riemer , Die Anti-Hitler-Koalition , a. a. O., 12.
655 Schuman , Design for a People’s Peace , a. a. O., 155.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741