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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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2. „Education for Victory“ 158 auch politisch besser verwenden ließen  – enthalten die psychiatrisch-psychologischen „Reeducation“-Ansätze.678 Sowohl für die Proponenten einer „Educational Reconstruction“ als auch für die Ver- treter einer psychiatrisch-psychologisch inspirierten Variante einer mentalen Neuorien- tierung nach Kriegsende bildete die als unumgänglich angesehene Notwendigkeit einer tiefgreifenden und nachhaltigen Rehabilitierung der „outlaw nation“ Deutschland  – tat- sächlich stellte der Rekurs auf das deutsche Volk den primären theoretisch-anwendungsbe- zogenen Bezugsrahmen dar  – den gemeinsamen Ausgangspunkt.679 Hier wie dort sah man in der strikten Entnazifizierung und Entmilitarisierung , in der sozio-ökonomischen Sta- bilisierung , in der Re-Demokratisierung des pervertierten Schul- und Bildungswesens so- wie der gesamten Bildungs- , Kultur- und Medienlandschaft die Vorbedingungen für eine längerfristige Veränderung des „way of life“ in Richtung einer post-totalitären Gesellschaft. Im Unterschied zum weichen , nicht Kollektivschuld-bezogenen Diskurs der „Pädago- gen“, deren liberal-aufklärerischer Ansatz vom autonomen Subjekt und nicht vom devian- ten Patienten ausging , und dabei  – neben curricularer Schulung  – das konkrete öffentliche Handeln und Verhalten in einer demokratischen Lebenspraxis in den Mittelpunkt stellte , zielte das kollektiv-psychiatrische „Reeducation“-Konzept  – unter Verwendung klinischer Kategorien  – direkt auf die Köpfe beziehungsweise Einstellungen ( „minds“ ) der „mentally sick German people“.680 Angesichts der aggressiven NS-Hetzpropaganda gegen „Freiheit“ und „Demokratie“, des mörderischen Wahnsinns von Holocaust und Vernichtungskrieg und der dabei verübten unvorstellbaren Gräueltaten , drängte sich auch in der Öffentlich- keit die Vorstellung von einem durch „maniacal perverts“681 verrückt gewordenen Volk auf. Die ersten ( sozial- )psychologisch angelegten Analysen des Nationalsozialismus  – zum Teil handelte es sich dabei um journalistischen Arbeiten  – waren bereits im Jahr der Macht- ergreifung Hitlers erschienen.682 Hier und insbesondere bald darauf in der materialreichen Studie des Politikwissenschafters Frederick L. Schuman zur „Sozialpathologie und Politik 678 Siehe : Uta Gerhardt. A Hidden Agenda of Recovery : The Psychiatric Conceptualization of Re-education for Germany in the United States during World War II. In : German History , Vol. 14 , 1996 , No 3 , 297–324. 679 Ernst Bungenstab , Umerziehung zur Demokratie ? Re-education-Politik im Bildungswesen der US-Zone 1945–49 , Gütersloh 1970 , 28 ; einen Überblick über den allgemeinen Forschungsstand für Deutschland bietet : Ellen Latzin , „Reeducation“  – „Reorientation“: Theorie und Praxis zentraler Leitbegriffe der ame- rikanischen Besatzungspolitik nach 1945. In : Elisabeth Kraus ( Hrsg. ), Die Universität München im Drit- ten Reich. Aufsätze. Teil I , München 2006 , 609–635. 680 Karl Loewenstein , Political Reconstruction , New York 1946 , 337. Zit. nach : Bungenstab , Umerziehung zur Demokratie ? , a. a. O., 22. 681 Denna Frank Fleming , What is it that we fight ? [ Radioansprache am 3. März 1943 , Nashville / Tennesse ]. In : Representative American Speeches : 1942–1943 , a. a. O., 71. 682 So z. B. Edgar A[ nsel ]. Mowrer , Germany Puts the Clock Back , London 1933 oder Harold D. Lasswell , The Psychology of Hitlerism. In : The Political Quarterly , Vol. IV , July–September 1933 , No. 3 , 373–384. In derselben Ausgabe des Political Quarterly erschien übrigens ein Beitrag von Mussolini : Benito Mussolini , The Political and Social Doctrine of Fascism. In : Ebd., 341–356.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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