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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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2. „Education for Victory“ 162 zur spezifisch österreichischen Ignoranz702 und „Schlamperei“ ),703 die Bereitschaft , sich bedingungslos „höheren Idealen“704 zu verschreiben ( „the idea of dying for the country , not living for it“ ), eine Überschätzung abstrakter , „objektiver Werte“, „Nibelungen Treue“ sowie eine fundamentale Skepsis gegenüber Kritik überhaupt. Abgesehen von den Aus- wüchsen nationalsozialistischer Indoktrinierung sah Bühler das grundlegende Problem im  – historisch bedingten  – „deutschen Charakter“ angelegt : „They have no discriminative understanding of tolerance born out of strength , humor , and an ultimate belief in all human beings’ potential goodness , and they consider all tole- rance a weakness. The democratic idea to allow for free development so long as possible and not to interfere with anybody so long as not absolutely necessary is completely foreign to all German thinking in education as well as in all affairs of civilian or public life.“705 Ebenso wie Bühler beschäftigte sich auch der im englischen Exil weilende Otto Neu- rath706 mit der Frage , inwiefern der Nationalsozialismus als deutsches Phänomen zu be- greifen sei und strich dabei die Rolle und Bedeutung der spezifischen Traditionen im deutschen Kultur- und Geisteswesen hervor ( „German climate“ ), die gesellschaftliche Verhaltensweisen wie Gehorsamkeit , Autoritätsgläubigkeit , „Geniekult“ ( Edgar Zilsel ) oder inhumane Metaphysik befördert hätten. Im völligen Unterschied dazu würde das englische Gesellschaftsklima  – so Neurath  – auf Freundlichkeit , Toleranz , gegenseitiger 702 Bühler zitiert hier ein vor dem „Anschluss“ gebräuchliches Sprichwort : „There was a saying in Austria be- fore it became Nazified. It ran as follows : ‚In England everything is allowed that is not expressly forbidden. In Germany everything is forbidden that is not expressly allowed. In Austria everything is allowed that is expressly forbidden.‘ Ebd., 149. 703 „The best slogan for a leniency born out of weakness is the Austrian formula : ‚Da kann man nix machen‘ ( ‚There one can’t do anything‘ ). The Prussian calls this scornfully the Austrian ‚Schlamperei‘ ( slovenli- ness ).“ Ebd , 150. 704 Hier bewegte sich Charlotte Bühler entlang der Deweyschen Kritik am Deutschen Idealismus und dessen ‚monströsen Folgen‘. 705 Ebd., 157. 706 Otto Neurath ( 1882–1945 ), österreichischer Nationalökonom , Sozialreformer , Wissenschaftsvermitt- ler und im Zusammenhang der Münchner Räteregierung  – Kurzzeit-Politiker. Neurath gilt als füh- render Vertreter des linken Flügels des neopositivistischen Wiener Kreises , dessen Manifest „Wis- senschaftliche Weltauffassung“ ( 1929 ) er gemeinsam mit Hans Hahn und Rudolf Carnap entwarf. Darüber hinaus ist Neurath Schöpfer der „Wiener Methode der Bildstatistik“, die ab 1934 als ISO- TYPE ( International System of Typographic Picture Education ) internationale Verbreitung fand. Si- ehe : Elisabeth Nemeth / Friedrich Stadler ( Eds. ), Encyclopedia and Utopia. The Life and Work of Otto Neurath ( 1882–1945 ). With the first publication of Otto Neurath‘s full manuscript of „Visual Education“ and the documentation of the Otto Neurath Nachlass ( Haarlem , The Netherlands ) (= Vi- enna Circle Institute Yearbook 1996 ), Dordrecht  – Boston  – London 1996 ; weiters : Johann Dvořák , Otto Neurath und die Volksbildung. Einheit der Wissenschaft , Materialismus und umfassende Auf- klärung. In : Friedrich Stadler ( Hrsg. ), Ausstellung Arbeiterbildung in der Zwischenkriegszeit. Otto Neurath und sein Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum , Politische Grafik von Gerd Arntz und den Konstruktivisten , Wien  – München 1982 , 149–156.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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