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2. „Education for Victory“
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heimdienstabteilung nun unter der Direktive der Joint Chiefs of Staff ( JCS ), des ameri-
kanischen Generalstabs. Die geheimdienstliche Funktion des OSS beschränkte sich jetzt
auf jene Aufgaben , „necessary for the planning and execution of the military program for
psychological warfare“, darunter auch Sabotage , Spionage und Gegenspionage in „enemy-
occupied or controlled territory , guerilla warfare , underground groups , and contacts with
foreign nationals in the United States.“719
Innerhalb des von Donovan geführten OSS wurde im Sommer 1942 unter Leitung von
Robert C. Tryon von der University of California eine eigene „Psychology Division“ ( OSS
PD ) geschaffen , in der insgesamt 16 Psychologen , in erster Linie Sozialpsychologen , da-
mit befasst waren , psychologisch relevantes Material für andere Abteilungen der psycho-
logischen Kriegsführung aufzubereiten.720 Tatsächlich aber verfassten diese Psychologen
gemeinsam mit Geografen und anderen Spezialisten in der Hauptsache lediglich „pocket-
sized Soldier Guides“; zu Beginn des Jahres wurde die OSS-Abteilung bereits wieder auf-
gelöst und ihre Mitarbeiter wurden der interdisziplinär arbeitenden Research & Analysis
Branch ( R & B ) beziehungsweise dem OWI zugeteilt.721
Die Research & Analysis Branch arbeitete seit 1942 / 43 neben „Target Exploitations“ für
Bombenziele oder „Interrogation Reports of Prisoners of War“ für einen späteren Eliten-
austausch722 auch an Materialsammlungen für die Erstellung von Handbüchern für die
US-Militärbehörden in den künftigen Besatzungsgebieten in Europa ; dafür verfassten sie
Analysen zu historischen , politischen , wirtschaftlichen oder aktuellen Entwicklungen in
den jeweiligen Gebieten. So war zum Beispiel der aus Brünn gebürtige Lorenz Eitner , der
1935 mit seiner Familie in die USA emigriert war und an der Duke University studierte
hatte , ab 1943 in der „Central European Section“ der Research & Analysis Branch tätig
und arbeitete nach seiner Versetzung nach London im Juni 1944 an den Vorarbeiten für
die Militärhandbücher in Österreich und Deutschland mit , wobei Österreich „unter dem
damaligen Sach-Referenten für Österreich-Angelegenheiten“, dem amerikanischen His-
toriker Paul R. Sweet , in den ersten Monaten „nur als Appendix zur Deutschlandfrage
behandelt“ wurde.723
Obwohl einige der frühen OSS-Berichte „soweit sie die Situation in Österreich betra-
fen , aussageschwach und teilweise sogar inkorrekt waren“,724 gibt es neben den faktenori-
719 Zit. nach : Darling , The Central Intelligence Agency , a. a. O., 12.
720 Hoffman , American Psychologists and Wartime Research on Germany , a. a. O., 265.
721 Ebd., 266.
722 Oliver Rathkolb ( Hrsg. ), Gesellschaft und Politik am Beginn der Zweiten Republik. Vertrauliche Be-
richte der US-Militäradministration aus Österreich 1945 , Wien – Köln – Graz 1985 , 13.
723 Ebd., 414 bzw. 13.
724 Im Unterschied zur Deutschland-Planung des OSS , an der zahlreiche , teils herausragende Intellektuelle
wie Franz Neumann oder Herbert Marcuse mitarbeiteten , „beschränkte sich das Interesse für österrei-
chische Emigrantengruppen auf reine Observationen , für die in London Robert Neumann , ein österrei-
chischer Emigrant bürgerlich-katholischer Prägung , verantwortlich zeichnete. Ebd., 12 f. bzw. 14. Siehe
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741