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Exkurs : die österreichische Emigration in den USA
Jedenfalls signalisierte Präsident Roosevelt in einer nationalen Radioansprache am 27. Mai
1941 einen Kurswechsel in der Österreichpolitik , indem er feststellte : „The attack on Czecho-
slovakia began with the seizure of Austria.“ Des Weiteren ließ Roosevelt vage Bereitschaft
erkennen , sich gegen die nationalsozialistische Aggressionspolitik zu wenden , allerdings
mit einer Einschränkungsklausel : „We do not forget the silenced peoples [ … ]. But those
people , spiritually unconquered : Austrian , Czechs , Poles , Norwegians , Dutchs , Belgians ,
Frenchmen , Greeks , Southern Slavs – yes , even those Italians and Germans who themsel-
ves have been enslaved
– will prove to be a powerful force in disrupting the Nazi system.“780
Mit dem definitiven Einschwenken der Regierung Roosevelt in eine gemeinsame „Anti-
Hitler-Koalition“ mit Großbritannien im August 1941 und der Verlautbarung der „Atlan-
tik-Charta“, die als erste westalliierte Richtlinie für eine spätere Nachkriegsordnung – die
Sowjetunion trat der Front erst im Dezember 1941 bei – die „endgültige Vernichtung der
nationalsozialistischen Tyrannei“781 als Ziel festlegte , veränderte sich , wenn auch mit erhebli-
cher Verzögerung , schließlich auch die Haltung gegenüber dem okkupierten Österreich. Die
politische Auseinandersetzung mit der Zukunft Österreichs blieb im weiteren Kriegsverlauf
aber im Wesentlichen auf die „Schwächung Deutschlands , und nicht [ auf ] die Unterstützung
einer österreichischen Nationalidee“782 ausgerichtet , sodass die alliierte Österreichplanung bis
knapp vor Kriegsende lediglich ein „Nebenprodukt der Aufteilung Deutschlands“783 darstellte.
Nach einer weiteren nationalen Radioansprache am 9. Dezember 1941 , zwei Tage nach
dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour , in der Präsident Roosevelt die Gründe für den
Kriegseintritt der USA erklärte , ordnete er Österreich jenen Ländern zu , die gewaltsam –
„without warning“
– von Hitler-Deutschland okkupiert worden waren.784
Ein weitere Klärung über den Status der künftigen US-Politik gegenüber Österreich
ergab sich dann anlässlich einer Pressekonferenz , bei der der Secretary of State , Cordell
Hull , hinsichtlich der bisherigen konfusen Position der US-Regierung in defensiv-vertei-
digender Haltung mitteilte :
“This Government very clearly made known its opinions as to the manner which the seizure
of Austria took place and the relation of that seizure to this Government’s well-known policy
toward the taking of territory by force. This Government has never taken the position that Austria
was legally absorbed into the German Reich.”785 [ Hervorhebung d. Verf. ]
780 Wright , Attitude of the United States towards Austria , New York , a. a. O., 99.
781 Keesings Archiv der Gegenwart , 1945 , 1. Jänner , 11.
782 Fritz Fellner , Die außenpolitische und völkerrechtliche Situation Österreichs 1938. Österreichs Wie-
derherstellung als Kriegsziel der Alliierten. In : Österreich – Die Zweite Republik. Bd. 1. Hrsg. v. Erika
Weinzierl / Kurt Skalnik , Graz 1972 , 64.
783 Ebd.
784 Wright , Attitude of the United States towards Austria , New York , a. a. O., 103. Vgl. auch : Keyserlingk ,
Austria in World War II , a. a. O., 22.
785 Wright , Attitude of the United States towards Austria , New York , a. a. O., 104.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741