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2. „Education for Victory“
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World“807 jedenfalls nicht in Übereinstimmung zu bringen. Unter den Mitgliedern der
„unabhängig-liberalen“ Gruppierung ( Guido Zernatto , Ferdinand Czernin ) würden be-
dauerlicherweise viele unter ihren früheren politischen Beziehungen leiden : „[ … ] suffer
from previous connection with the Dollfuss and Schuschnigg regime.“808 Insgesamt , so
das Resümee des OSS-Berichtes , hätte die österreichische politische Emigration in den
USA jedoch ein zentrales Problem :
“This lack of a well-organized American group of Austrian descent has an important effect upon the
politics of the Austrian now in this country. Other refugees come into contact with representa-
tives of their own nationality who are used to American ways ; the Austrian remain isolated.
[ … ] Instead of being able to concentrate on national independence , the refugees have had
to face the question of a republican versus a monarchist regime.”809 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Soweit die Analyse des US-Geheimdienstes zum Realzustand des österreichischen poli-
tischen Exils in den USA , dessen politischen Grabenkämpfe Erich Voegelin810 in einer
ablehnenden Antwort an Willibald M. Plöchl , der diesen 1941 zur Mitarbeit im „Free
Austrian National Council“ bewegen wollte , in überdeutlichen Worten kommentierte :
„Nach meinen Wiener Erfahrungen hängt es mir zum Hals heraus , der passive oder semi-
aktive ‚Mitbeteiligte‘ irgendwelcher österreichischer Politik zu sein. [ … ] Soweit mir die
österreichischen Emigrationsverhältnisse durch die zahlreichen Zuschriften und Publi-
kationen der verschiedenen Gruppen bekannt sind , setzt sich die österreichische Misère
in der Emigration fort. Wenn es nicht einmal in der Emigration möglich ist , eine gemein-
same österreichische Basis wenigstens im Auftreten nach außen zu erreichen , dann ist
eine österreichische Politik heute ebenso unmöglich , wie sie es in Österreich selbst war.“811
In einem vertraulichen Dossier des OSS wurde hinsichtlich der zum Teil operettenhaft
anmutenden österreichischen Exilpolitik im Mai 1943 nüchtern Bilanz gezogen :
807 The Austrians. Foreign Politics in the United States. Foreign Nationalities Branch. Office of the Coordi-
nator of Information , August 1942 , a. a. O., 13.
808 Ebd., 24.
809 The Austrians. Foreign Politics in the United States. Foreign Nationalities Branch. Office of the Coordi-
nator of Information , August 1942 , a. a. O., 13 f.
810 Eric Voegelin ( 1901–1985 ), einer der meist rezipierten österreichischen Exil-Staatsrechtler in den USA ,
war Unterstützer der austrofaschistischen „Ständeverfassung“ gewesen und begriff auch im US-Exil „po-
litische Wissenschaft als autoritäre ‚Ordnungswissenschaft‘ “. Siehe dazu : Oliver Rathkolb , Überlegungen
zum Exodus der „Jurisprudenz“. Rechts- und staatswissenschaftliche Emigration aus dem Österreich der
Zwischenkriegszeit. In : Friedrich Stadler ( Hrsg. ), Vertriebene Vernunft. Bd. 1. Emigration u. Exil öster-
reichischer Wissenschaft , Wien – München 1987 , 282 f.
811 Antwortschreiben von Erich Voegelin ( Dep. of Political Science , Univ. of Alabama ) an Willibald M.
Plöchl betreffend die an Voegelin gerichtete Aufforderung ( 30. September 1941 ), dem Free Austrian
Council beizutreten , 2. 10. 1941 [ DÖW 15. 188 / 30 ]. Zit. nach : Eppel , Österreichische Exilpolitik in den
USA. In : Österreicher im Exil USA , 1938–1945. Eine Dokumentation. Bd. 2 , a. a. O., 366.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741