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Exkurs : die österreichische Emigration in den USA
“Although only a small group within the Austrian emigration may be considered political ( per-
haps only about 2000 altogether , according to a State Department estimate ), the Austrians
have received considerable publicity in this country. This in part because their internal quarrels
lead them to air in their grievances in open attacks and demonstrations , and partly because
the leader of one faction , Otto Habsburg himself , has attracted the attention of the American
public by reason of his royal heritage and his personal charm. There is no doubt that a pretender
to a throne holds a certain glamor for many Americans whether or not they would actually
support the form of government he represents. It is unfortunate for the Austrian emigration that
it has to face within its ranks the problem deciding the form of government it would sponsor in a lib-
erated Austria
– whether a republic or a monarchy
– rather than being able to devote full energies to
the defeat of Hitler.”812 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Das „Versagen“ der österreichischen Exilpolitik in den Vereinigten Staaten , das freilich auch
durch die unklare Haltung der USA in Bezug auf Österreich mitverschuldet war , resümierte
Ernst Karl Winter gegenüber Viktor Matejka im Frühjahr 1946
– trotz polemischen Unter-
tons
– jedenfalls nicht ganz unzutreffend folgendermaßen : „Daß die österr. Emigration ver-
sagte , hat mehrere Gründe : a ) das Überwiegen jüdischer Intellektueller , die in der Hauptsa-
che kein Interesse an Österreich hatten , b ) die Identifizierung der wenigen Katholiken im
Exil mit dem Monarchismus , c ) der relative Erfolg des Monarchismus in den USA unter
Roosevelt ( freilich nur aufgepäppelt , um wieder fallengelassen zu werden , darunter aber die
österreichische Sache selbst zu begraben ), d ) die primitive quasi-legitimistische Politik der
Sozialdemokratie , der jedes aktive und offensive Konzept mangelte und die sich erst nach
der Moskauer Erklärung auf den Boden der neuen Tatsachen stellte.“813
Tatsächlich reagierte Julius Deutsch ebenso wie Friedrich Adler , der es als notwendig
erachtete , der „kindische[ n ] Farce von der besonderen ‚österreichischen Nation‘ “814 entge-
genzutreten , auf die Moskauer Deklaration geradezu verärgert und sah in der projektierten
künftigen „Unabhängigkeit“ Österreichs ein russisches „Diktat“, das „Österreich wieder auf
die klägliche Stufe eines kleinen , lebensunfähigen Staatswesens“815 bringen würde.
812 NARA II , RG 226 , Records of the OSS , Entry 100 , Box 10. Au–347 [ DÖW E 20. 225 ] , Vertrauliches
Memorandum „Austrian Monarchist“ der Special War Policies Unit / War Division / Department of Ju-
stice ( Washington , D.C. ) an Dewitt C. Poole , OSS ( Washington , D.C. ) 13. Mai 1943. Zit. nach : Eppel ,
Österreichische Exilpolitik in den USA. In : Österreicher im Exil USA , 1938–1945. Eine Dokumentation.
Bd. 2 , a. a. O., 449 f.
813 Brief von Ernst Karl Winter an Viktor Matejka betreffend das „Versagen“ der österreichischen Emigra-
tion , 25. März 19946 [ DÖW 15. 060 / 77 ]. Zit. nach : Eppel , Österreichische Exilpolitik in den USA. In :
Österreicher im Exil USA , 1938–1945. Eine Dokumentation. Bd. 2 , a. a. O., 267 f.
814 Friedrich Adler , Die Legende vom glücklichen Österreich. In : Austrian Labor Information , N. Y. C., No-
vember / Dezember 1943 , 12–15. [ DÖW Bibliothek 3058 A / 1 ]. Zit. nach : ebd., 607.
815 Julius Deutsch , Echte und falsche Unabhängigkeit. In : Austrian Labor Information , N. Y. C., Novem-
ber / Dezember 1943 , 10 f. [ DÖW Bibliothek 3058 A / 1 ]. Zit. nach : ebd., 607.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741