Page - 217 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Image of the Page - 217 -
Text of the Page - 217 -
217
Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte
eigentlichen militärischen Operationen zu verknüpfen waren , schlug Präsident Roosevelt
im Juni 1943 die Einrichtung eines „Interdepartmental Policy Committee“ vor , das unter
Vorsitz des Assistant Secretary of State die Aufbauplanungen in den befreiten Gebieten
übernehmen , jedoch gleichzeitig dem Militärkommando unterstehen sollte : die Militär-
verwaltungen in den von der US-Army besetzten Gebieten bekamen ihre Befehle und
Anordnungen ab sofort sowohl vom State Department als auch vom War Department.938
Seitens des State Department war künftig das „Office of European Affairs“ unter Leitung
von James Clement Dunn für die generelle zivile Rahmenplanung verantwortlich.939
In dieser hybriden militärisch-zivilen Konstruktion war die Civil Affairs Division ge-
meinsam mit dem State Department , dem 1944 eingerichteten „State , War , Navy Coor-
dinating Comittee“ ( SWNCC ) und der nach der Moskauer Konferenz 1943 eingerich-
teten – aus Sicht der USA allerdings nachgeordneten – alliierten „European Advisory
Commission“ ( EAC )940 für die Ausarbeitung der amerikanischen Militärpolitik , unter
anderem auch gegenüber Österreich , verantwortlich.941
Das State Department hatte , neben den im vorangegangenen Kapitel bereits ausführlich
beschriebenen Aktivitäten , im Bereich der kulturellen Postwar-Reorientation bereits An-
fang 1941 mit ersten Planungen für die politische Neuordnung in der unmittelbaren Nach-
kriegszeit begonnen. So wurde unter Leitung von Leo Pasvolsky , eines Ökonomen mit
Österreich-Expertise , die „Division of Special Research“ eingerichtet , die in der Folge mit
externen Experten ziviler Einrichtungen , wie dem privaten New Yorker Wissenschaftsfo-
rum „Council on Foreign Relations“, Informationen über die späteren Besatzungsgebiete
in Europa sammelte und Analysen ausarbeitete.942 Dabei erfolgten auch Kontaktaufnah-
men beziehungsweise Interviews mit Vertretern der österreichischen politischen Emigra-
tion in den USA , die sich quer durch die politischen Lager nicht für die Wiederherstellung
einer Republik , sondern für die Schaffung eines supranationalen Gebildes nach Kriegsende
aussprachen.943
938 Ziemke , The U. S. Army in the Occupation of Germany 1944–1946 , a. a. O., 21.
939 E. J. Hayes , Coordination of Military and Civil Affairs Planning. In : Annals of the American Academy of
Political and Social Science , 1950 , 267. Zit. nach : Keyserlingk , Austria in World War II , a. a. O., 107 f.
940 Vgl. FRUS , Diplomatic Papers , 1943. Vol. 1. General , Washington D.C. 1968 , 801. Establishment of the
European Advisory Commission. The Ambassador in the United Kingdom ( Winant ) to the Secretary of
State. London , 3. November 1943.
941 Donald R. Whitnah / Edgar L. Erickson , The American Occupation of Austria. Planning and Early Years
(= Contributions in Military Studies , No. 46 ), Westport – London 1985 , 14 f.
942 Harley Notter , Postwar Foreign Policy Preparation , 1939–1945 , Washington D.C. 1949 , 39 ff. Zit. nach :
Keyserlingk , Austria in World War II , a. a. O., 108 ff.
943 Die Gespräche mit den österreichischen Emigrés wurden vom „Council on Foreign Relations“ geführt.
Aufgrund deren einhelliger Präferenz für ein supranationales , konföderatives Gebilde , empfahl das Coun-
cil in seiner politischen Analyse dem State Department , dass Österreich nach Kriegsende Teil eines su-
pranationalen Donaukonföderation werden solle. Vgl. Keyserlingk , Austria in World War II , a. a. O., 114
bzw. 118.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741