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Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planungder US-Militärstäbe 1943 / 44–1945
Der erste Teil des Memorandums betraf „longe-range interests and objectives of the
United States“, der zweite „problems of the occupation period“.1060 Ohne an dieser Stelle
auf Details einzugehen , liegt die Bedeutung dieses Papiers , neben der bereits beabsichtigten
Aufteilung Österreichs in
– zum damaligen Zeitpunkt
– drei Besatzungszonen , darin , dass
–
nach erfolgter Entmilitarisierung und personellen Säuberungen1061 – die Besatzungszeit
möglichst kurz und der Übergang zu inter-alliierten zivilen Kontrollbehörden möglichst
rasch erfolgen solle , mit der klaren Intention : „demonstrably seeking to establish democra-
tic political life.“1062 Das politische Ziel war dezidiert auf die Entwicklung und Förderung
einer demokratischen , eigenständigen Regierung gerichtet ( „development of sound demo-
cratic self-government“ ).1063 Der angesprochene , kurzgefasste Annex ( „Policy Recommen-
dations“ ) zum zitierten Memorandum empfahl nochmals nachdrücklich die umgehende
( „prompt“ ) Wiederherstellung Österreichs als unabhängiger Staat – daher sollte die Mi-
litärverwaltung der österreichischen US-Besatzungszone auch getrennt von Deutschland
erfolgen
–, jedoch auf Basis eines erst zu erreichenden demokratischen Einstellungswandels
in der Bevölkerung , der implizit freilich eine klare Westorientierung bedeutete :
“This Government should support and use appropriate means to foster among Austrians more
pronounced loyalty to an independent and democratic Austria under effective protection against
external encroachments.”1064 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Bis Ende des Jahres 1944 kam es in Bezug auf Österreich allerdings zu keinen konkreteren
Planungsschritten : noch im Dezember verlautete ein Memorandum der EAC , dass die
Beratungskommission nun damit begonnen hat , erste Überlegungen hinsichtlich des ös-
terreichischen „Problems“ anzustellen.1065
In der militärischen Großplanung für die besatzungspolitische Initialphase unmittelbar
nach Kriegsende setzte sich die mit dem CCS 551 erstmals angesprochene , „andere“ Be-
1060 Ebd., 438.
1061 Das Memorandum ging hier von einem „komplexeren“ Sachverhalt als in Deutschland aus , zumal eine
Rückkehr zum „Fascist character of much legislation under the Dollfuss-Schuschnigg regime“ [ sic ] völ-
lig ausgeschlossen sei. Des Weiteren wurden im Hinblick auf personale ‚Säuberungsmaßnahmen‘ sowohl
die Entnazifizierung als auch die Eliminierung der faschistischen Wurzeln der österreichischen Regie-
rungsdiktatur unter Dollfuß und Schuschnigg in den Blick genommen : „The essential predicate [ … ] will
be the elimination of the fascist vestiges of the Dollfuss-Schuschnigg regime and the destruction of Nazi
authoritarianism.“ Ebd., 441.
1062 Ebd., 445.
1063 Ebd., 441.
1064 FRUS , 1944 , Vol. 1 , 447. Memorandum by the Committee on Post-War Programs , „Summary : The
Treatment of Austria : Policy Recommendations“, [ Washington D.C. ] , 21. Juni 1944.
1065 „The Commission has now begun its consideration of Austrian problems [ … ]“. FRUS , 1944 , Vol. 1 , 478.
Memorandum by the United Kingdom Representatives to the European Advisory Commission ( Strang ),
„The Establishment of Self-Government for Austria“, London , 14. Dezember 1944.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741