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3. Beginn der US-Reorientierung nach
1945272
Ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit der Education Division – neben den Uni-
versitäten , der Erwachsenenbildung , den Büchereien und den Jugendaktivitäten
– waren
das Schul- und Bildungswesen , beginnend mit der Wiederöffnung der ersten Schulen
bereits im Mai 1945 , die Lehrplansäuberungen , die Säuberung der Unterrichtsbücher und
Lehrmittelsammlungen von jedem nationalsozalistisch-rassistischen Gedankengut so-
wie die genaue Supervision der Entnazifizierung der Lehrkräfte , für die im Bereich der
US-Vienna Area Command eine eigene „Sub-Section of Education“ eingerichtet wurde.
Auf der Ebene des Quadripartite Committee wurde die Entnazifizierung des öffent-
lichen Schulwesens am 16. Oktober 1946 das erste Mal behandelt. Nachdem es bis dahin
weder ein unilaterales Übereinkommen noch einen Viermächte-Beschluss gab und auch
kein offizieller Bericht über die bisher erfolgten Säuberungsmaßnahmen in den Zonen
vorlag , präsentierte Lt. Col. Featherstone einen Entwurf für ein gemeinsames alliiiertes
Vorgehen in dieser Angelegenheit. Der Kernpunkt seines Vorschlages bestand darin , dass
die Entnazifizierung der schulischen Lehrkräfte von den jeweiligen alliierten Education-
Abteilungen in ihren Zonen supervidiert und überprüft werden , die konkrete exekutive
Durchführung der Entnazifizierungsmaßnahmen allerdings nicht bei den jweiligen Edu-
cation Branches selbst , sondern bei anderen operativen Militärstellen liege sollte. Die Ent-
nazifizierung der Lehrer in der interalliierten Zone in Wien sollte jedoch ebenso durch
ein gemeinsames Viermächte-Entnazifizierungskomitee erfolgen wie die „Säuberungen“
im Bereich der jeweiligen städtischen Ämter und Behörden. Nach einigen Diskussionen
wurde der Vorschlag Featherstones am 31. Oktober dem „Exekutiv Komitee“ des Alliier-
ten Rates zur Begutachtung weitergeleitet. Am 10. Jänner 1946 beschloss der Alliierte Rat
schließlich den Vorschlag Featherstones , allerdings mit einer wichtigen Abänderung , die
wohl auf Betreiben der Sowjets durchgesetzt wurde : die Entnazifizierung in den unter-
schiedlichen Besatzungszonen sollte nämlich in der alleinigen Verantwortung der jeweili-
gen Oberbefehlshaber liegen.
De facto betrachtete das „Quadripartite Committee on Educational Affairs“ die lau-
fende Entnazifizierung im Bereich der Lehrerschaft als höchst unbefriedigend , sah jedoch
keine Möglichkeit , auf Ebene des Alliierten Rates zu effizienteren und wirksameren Be-
schlüssen zu gelangen , sodass sich das alliierte „Education Directorate“ schließlich auf die
bloße Berichterstattung vorliegender Fakten beschränkte.1180
Ohne hier nun genauer auf die Schul- und Medienpolitik der US-Besatzungsmacht ein-
zugehen
– dazu existieren mittlerweile einige zum Teil auf primärer Quellenbasis verfasste
V. Smart als „Administrative Officer“ der Education Division zugewiesen. Siehe : NARA II , RG 260 ,
USFA , Historical File , Box 33. Quarterly Historical Report. USACA Section , U. S. Forces in Austria
1946 , 335.
1180 NARA II , RG 260 , Box 31 , Folder 253. USACA Historical File , United States Allied Commission for
Austria History. Part II , V-E Day to End 1945 , 247.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741