Page - 274 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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3. Beginn der US-Reorientierung nach
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kanischen Besatzern im Hinblick auf eine nachhaltige Demokratisierung des schulischen
Bildungswesens primär um die Implementierung moderner Unterrichtsmethoden und
eine verbesserte Lehrerausbildung unter verstärkter Einbeziehung der Erkenntnisse aus
dem Bereich der Social Sciences ging ;1182 daneben sollte durch Herausgabe einer eigenen
Zeitschrift ( „Erziehung“ ), die immerhin in einer Auflage von 35. 000 Stück erschien und
den Lehrern kostenlos zur Verfügung gestellt wurde ,1183 der Diskurs über pädagogische
Methoden und Sachthemen angeregt werden und auf diese Weise auch die von amerika-
nischer Seite favorisierte „Einheitsschule“ auf den Weg gebracht werden , um traditionelle
gesellschaftliche Bildungs- und Sozialstrukturen aufzubrechen.1184 Die Umsetzung dieses
ambitionierten Programmes , das das schwerwiegende Manko aufwies , dass es in keiner
auch nur einigermaßen konzise ausgearbeiteten Form für eine praktische Umsetzung vor-
lag , bildete durchaus einen wesentliches Element für eine längerfristige , geistig-mentale
Reorientierung Österreichs. Die Umsetzung der bei den schulpflichtigen Kindern und
Jugendlichen1185 ansetzenden Reorientierung
– in notwendiger Kooperation mit dem Un-
Feuerstein-Prasser , Von der Besatzungspolitik zur Kulturmission. Französische Schul- und Bildungspolitik
in Österreich 1945–1955 , Diss., Univ. Wien 2002 ; Marion Knapp , Österreichische Kulturpolitik und das
Bild der Kulturnation. Kontinuität und Diskontinuität in der Kulturpolitik des Bundes seit 1945 (= Politik
und Demokratie. Hrsg. v. Helmut Kramer und Eva Kreisky , Bd. 4 ), Frankfurt a. Main et al. 2005 ; Natalie
Schlegel , Die Beurteilung der „US-Kulturmission in Österreich 1945–1955“. Der Bereich der Medien
am Beispiel von „Wiener Kurier“, „Salzburger Nachrichten“ und „Radio Rot-Weiß-Rot“, Dipl.-Arb., Univ.
Wien 2008 ; Florian Jetzlsperger , Die Umerziehung der Jugend durch die amerikanischen Militärregie-
rungen 1945–1949. Bayern und Salzburg im Vergleich , Magisterarbeit LMU München 2007 ; Simone
Krienzer , Strategien der Propaganda im frühen Kalten Krieg. Eine Analyse ausgewählter Plakate zum
European Recovery Programm der USA in Österreich 1948–1952 , Dipl.-Arb., Univ. Graz 2010.
1182 Vgl. Hiller , Amerikanische Medien- und Schulpolitik in Österreich ( 1945–1950 ), a. a. O., 244 ff. ; so
manche Veränderungen in den österreichischen „Klassenzimmern“ mögen unter längerfristiger Perspek-
tive betrachtet wohl auch auf direkte und indirekte Einflussnahmen der westalliierten Mächte zurück-
zuführen sein. Zum allgemeinen Wandel des schulsituativen Settings siehe : Maria Streßler , Im Klas-
senzimmer. Der Wandel des Lehrer-Schüler-Verhältnisses in Österreich , Frankfurt a. Main 2008 , 78 f.
Zur Rolle der Social Sciences im Kontext der US-Reorientierung siehe : Bernhard Plé , „Social sciences“
in der Ordnungspolitik der USA. Vom Kriegseinsatz zum Medium der amerikanischen Kulturpolitik
im Nachkriegsdeutschland , 1941–1957. In : Jahrbuch für Soziologiegeschichte , 1997 / 98 , Opladen 2001 ,
195–213.
1183 Hiller , Amerikanische Medien- und Schulpolitik in Österreich ( 1945–1950 ), a. a. O., 286 f. Neben der
Erziehung gab die US-Education Division noch ein Reihe weiterer Zeitschriften in deutscher Sprache
heraus , die , je nach unterschiedlicher Zielgruppe , zu einem positiven Amerikabild in der österreichi-
schen Gesellschaft beitragen sollten. So z. B. Medizinische Nachrichten aus den Vereinigten Staaten , Ge-
werkschaftliche Nachrichten aus den USA , Die amerikanische Rundschau , Der Monat oder Amerika , um hier
nur einige der wichtigsten zu nennen. Vgl. ebd., 100 ff.
1184 Amerikanischen Medien- und Schulpolitik in Österreich ( 1945–1950 ), a. a. O., 212 ff.
1185 Vgl. Liebl , Die Umerziehung der österreichischen Bevölkerung , a. a. O., 72 ff. ; Hiller , Amerikanische
Medien- und Schulpolitik in Österreich ( 1945–1950 ), a. a. O., 310 ff. ; Jetzlsperger , Die Umerziehung der
Jugend durch die amerikanischen Militärregierungen 1945–1949 , a. a. O., 89 ff. ; für Deutschland siehe in
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741