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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
Germany“1211
– keineswegs weniger strikt vorgenommen werden müsse als in Deutschland ,
bildet sich selbst im Wortlaut genuin militärischer US-Planungsdokumente deutlich ab , in
denen außerdem auf die Problematik der Rückführung Reichsdeutscher verwiesen wurde.
So heißt es in einer im Juli 1945 verlautbarten Direktive des US-Kriegsministeriums in Be-
zug auf die Aufgaben der Entnazifizierung in Österreich
– „to destroy the National Socialist
party and system in Austria , and to uproot and discredit National Socialist doctrines“:
“In Austria it will be necessary to get rid not merely of extreme National Socialists , who will be ,
if anything , more firmly in control of the administration there than in Germany , but also of
the many Reich Germans who hold Austrian posts.”1212
Wie aus einem militärischen Ratgeber des War Departments für die US-Armee in Öster-
reich deutlich hervorgeht , den die „Research and Analysis Branch“ des OSS ausgearbeitet
hatte und über den Secretary of War , George C. Marshall , im August 1945 an die Besat-
zungstruppen in Österreich weitergeleitet wurde , waren sich die US-Geheimdienstleute und
Militärs über die Rolle , die das vorhergehende austrofaschistische System hinsichtlich der
Durchsetzung des NS-Herrschaftssystems in Österreich gespielt hatte , durchaus im Klaren :
“The Nazi task was made somewhat easier by the fact that they installed their system of labor
controls after the Austro-Fascist regime of Dollfuss and Schuschnigg had already destroyed
the independent economic and political institutions of the working class.”1213
Ein keineswegs uninteressantes Detail ist , dass die oben zitierte besatzungspolitische Di-
rektive des US-Kriegsministeriums gleich an zwei Stellen explizit österreichische Emig-
ranten für die Neubesetzung von Posten innerhalb der zentralen Verwaltungsbehörden
vorschlug – „suitable Austrian emigrés for this purpose“ – und darüber hinaus in einer
eigenen Direktive davon sprach , entsprechende Namenslisten an die österreichischen Be-
hörden zur weiteren Verwendung zu übermitteln.1214
1211 Ebd., Chapter 12 , „Education“, 4.
1212 NARA II , RG 260 , USGCC 1944–1945 , Box 4 , Folder 3. Germany and Austria in the Post-Surrender
Period. Policy Directives for the Allied Commanders-In-Chief. Amendments and Additions , War Office
( A. C. S. ), July 1945 , Directive No. 2 , 2.
1213 Military Government Guide. The Social Structure of Austria 1933–1944. War Department Pamphlet No.
31–232. Confidential. 31. August 1945 , 11. A Guide to O. S. S. / State Department Intelligence and Re-
search Reports. Germany and its Occupied Territories during World War II. Part 4 [ A Microfilm Project
of University Publications of America , Inc. ] , Washington D.C. 1977. Bestand Institut für Zeitgeschichte ,
Universität Wien ( Bibliothek ), Rolle 2 [ 1–9 ].
1214 „Lists will also be communicated to you from time to time for transmission to the Austrian authorities of
former Austrian subjects resident abroad whose recall will be demanded or whose reception in Austria will
be required.“ Zit. nach : Ebd., Directive No. 9 , „Recall of German and Austrian Nationals Resident Abroad“.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741