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4. „The democratic way of life in Austria“
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Besonders deutlich fällt die Passage in der endgültigen Fassung des „Austria Military
Government Handbook“ vom April 1945 aus , dessen Kapitel 12–14 , wie bereits erwähnt ,
von Colonel William B. Featherstone ausgearbeitet worden waren , der seit Jänner 1944 –
quasi als Urgestein der „Austrian Planning Unit“ – zunächst in Shrivenham bei London ,
dann in Caserta , mit der Posthostilities-Planung für Österreich im Bereich „Education“
betraut war.1215 Wie schon zuvor in den verschiedenen Entwürfen der Austria Planning
Unit seit Sommer 1944 ,1216 steht zur Problematik der Entnazifizierung des Kultur- und
Bildungsbereiches im „Military Handbook“ zu lesen :
“Austrian education , always similar to German in structure , purpose and content , was after 1938
integrated with the educational system of the Reich and the Nazi Party. [ … ] The Nazi Party
has established the same internal and external controls which is exercised in Germany and has
set up the same scheme of party schools and party youth agencies which have so completely
disrupted and demoralized education in the Reich proper. So complete has been the Nazi permea-
tion of education at all levels and in all fields that it is difficult to say where Nazification leaves off
and education begins.”1217 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Der Nationalsozialismus , so die soziologische Analyse der Research & Analysis Branch des
OSS , habe in Österreich jedoch keine fundamentale Veränderung in der sozialen Schich-
tung nach sich gezogen : „[ … ] old cleavages and political movements , in short , are likely to
reappear“.1218 Ungeachtet der Tatsache , dass in der NS-Presse auf österreichischem Boden
bereits 1943 Beschwerden über „unpatriotisches“ Umgehen der militärischen Pflichten so-
wie Faulenzerei bei der Arbeit aufgetaucht seien , haben doch die Mittelschicht sowie die
gesellschaftliche Elite eindeutig mit dem Nationalsozialismus kollaboriert ; ein Umstand ,
aus dem sich allenfalls ein politisches Problem für die Stabilität beziehungsweise für die
Westorientierung der gesamten Region ergeben könnte , wobei die Gefahr eines Links-
rutsches in Österreich – „would encounter strong resistance from the strata that would
suffer“1219
– jedoch als überaus gering eingestuft wurde.
1215 Siehe : NARA II , RG 260 , USACA Historical File , Box 31 , Folder 253. United States Allied Commis-
sion for Austria History. Part II. V-E Day to End of 1945 , 232.
1216 Vgl. NARA II , RG 260 , OMGUS ECR , Box 98. Supreme Headquaters Allied Expeditionary Forces ,
G-5 Division ( SHAEF / G-5 / PCS / Fwd / 558 / 1 ), Austrian Handbook , Draft , July 1944 bzw. NARA
II , RG 260 , Office of Director USACA , Box 20 , Education , Field Handbook of Military Government
Austria , Draft , 20. Oktober 1944.
1217 Handbook for Military Government in Austria , April 1945 , a. a. O., Chapter 12 , 1.
1218 Military Government Guide. The Social Structure of Austria 1933–1944. War Department Pamphlet
No. 31–232. Confidential. 31. August 1945 , 11. A Guide to O. S. S. / State Department Intelligence and
Research Reports , a. a. O., 22.
1219 Ebd.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741