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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
zu bleiben. Außerdem musste nun neben der verpflichtenden Erbringung eines Abstam-
mungsnachweises auch ein politisches Gutachten seitens des NS-Dozentenbundführers
vorgelegt werden.1274 Daher ist es nicht weiter verwunderlich , dass bei Kriegsende mehr als
zwei Drittel aller Hochschullehrer Nationalsozialisten waren ;1275 politisch und organisato-
risch ebenso gleichgeschaltet wie das Lehrpersonal war freilich auch die Studentenschaft.
Vor diesem Hintergrund erfolgte der Neubeginn der wissenschaftlichen Lehre und For-
schung in demokratie- als auch in wissenschaftspolitischer Hinsicht tendenziell geradezu
auf einem akademischen „ground zero“,1276 mit der Chance auf eine fundamentalen Neur-
orientierung der österreichischen Wissenschaftskultur.
Wissenschaft. Die Universität Wien 1938–1945 , Wien 1989 ; Brigitte Lichtenberger-Fenz , „Es läuft alles
in geordneten Bahnen“. Österreichs Hochschulen und Universitäten und das NS-Regime. In : Emmerich
Talos et al. ( Hrsg. ), NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch , Wien 2000 , 549–569 ; Marie Tidl , Die
Roten Studenten. Dokumente und Erinnerungen 1938–1945. Mit einem Vorwort v. Karl R. Stadler (= Lud-
wig Boltzmann Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung. Materialien zur Arbeiterbewegung Nr. 3 ),
Wien 1976 , 46 ff. ; Gerhard Benetka , Entnazifizierung und verhinderte Rückkehr. Zur personellen Situation
der akademischen Psychologie in Österreich nach 1945. In : Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissen-
schaften , 9. Jg., 1998 , H. 2 , 194 ff. ; Herbert Posch / Doris Ingrisch / Gert Dressel , „Anschluss“ und Aus-
schluss 1938. Vetriebene und verbliebene Studierende der Universität Wien (= Emigration – Exil – Konti-
nuität. Schriften zur zeitgeschichtlichen Kultur- und Wissenschaftsforschung , hrsg. v. Friedrich Stadler , Bd.
8 ), Wien – Berlin 2008 ; Roman Pfefferle / Hans Pfefferle , Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft
des Sommersemesters 1944 der philosophischen Fakultät der Universität Wien in den Nachkriegsjahren.
Endbericht des Forschungsprojekts : Entnazifizierung an der Universität Wien nach 1945 ( philosophische
Fakultät ). Kontinuitäten und Diskontinuitäten universitärer Wissenschaftseliten ( Projektleitung : Walter
Manoschek ), Wien 2010. [ Für den Hinweis und die freundliche Überlassung eines Exemplars des End-
berichtes sei an dieser Stelle herzlich Heimo Gruber gedankt ]. Zur Rolle der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften siehe : Herbert Matis , Zwischen Anpassung und Widerstand. Die Akademie der Wis-
senschaften in den Jahren 1938–1945 , Wien 1997 ; weiters : Johannes Feichtinger / Herbert Matis / Stefan
Sienell / Heidemarie Uhl ( Hrsg. ), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur
Ausstellung , Wien 2013. Zum Thema allgemein siehe : Helmut Heiber , Universität unterm Hakenkreuz.
Teil II : Die Kapitulation der Hohen Schulen. Das Jahr 1933 und seine Themen. Bd. 2 , München – New
Providence – London – Paris 1994 ; weiters : Hochschulen 1933–1945. Nachtrag zur Bibliographie sowie
Übersichten über Rehabilitationen und Gedenken nach 1945 (= Schriftenreihe des ASTA der Universität
Mannheim , Bd. 6 ), Mannheim 1999. Für diesen Literaturhinweis danke ich meinem Kollegen Mag. Robert
Stumpf von der Fachbibliothek für Geschichtswissenschaften an der Universität Wien.
1274 Müller , Dynamische Adaptierung und „Selbstbehauptung“, a. a. O., 602. Die Zahl der aktiven ordent-
lichen Professoren ging dadurch um 49 % , die der außerordentlichen Professoren um 59 % zurück. Vgl.
dazu auch Kurt Mühlberger , Vertriebene Intelligenz 1938. Der Verlust geistiger und menschlicher Po-
tenz an der Universität Wien von 1938 bis 1945 , Wien 1990 , 9.
1275 Dieter Stiefel , Entnazifizierung in Österreich , Wien – München – Zürich 1981 , 171.
1276 Vgl. Friedrich Stadler , Österreich und der Nationalsozialismus – die Folgen für das intellektuelle Le-
ben. In : Friedrich Stadler ( Hrsg. ), Österreichs Umgang mit dem Nationalsozialismus. Die Folgen für
die naturwissenschaftliche und humanistische Lehre. Internationales Symposium 5.–6. Juni 2003 , Wien
2004 , 15 ff. ; weiters : Mitchell G. Ash , Hochschulen und Wissenschaften im Nationalsozialismus und
danach
– Stand der Forschung und Projekte in Österreich. In : Stadler ( Hrsg. ), Österreichs Umgang mit
dem Nationalsozialismus , a. a. O., 213 ff.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741