Page - 303 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Image of the Page - 303 -
Text of the Page - 303 -
303
Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
laut Statut grundsätzlich keine politische Aktivität entfalten dürften , wobei die weitaus
größere Zahl der Studierenden ohnehin keine parteipolitische Bindung habe.1301 Unge-
achtet der Tatsache , dass „aktive Nazis“ von der Inskription ausgeschlossen seien , gebe es
doch
– obwohl zur Zeit keine Evidenz über subversive Aktivitäten bestehe
– klare Indizien
für die Existenz altvorderer , rechtsradikal-nazistischer Studenten innerhalb einer Studen-
tenfraktion :
“A number of former Nazis and Nazi sympathizers are presumably among the People’s Party
students.”1302
Eine Vergleichsstatistik zur zitierten Tabelle findet sich in einem
– auf Drängen des „Alli-
ierten Denazifizierungsbüros“ nach „erschöpfender Auskunft“
– von Staatssekretär Franz
Honner am 13. Dezember 1945 vorgelegten Entnazifizierungsbericht , der vom „Staatsamt
für Volksaufklärung , für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten“ für
die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit im Innenministerium zusammengestellt
wurde. Aufgelistet wurden darin alle bisher aus dem Dienst „entlassenen ehemaligen
Nationalsozialisten ( § 4 des Verbotsgesetzes )“, alle „aus demselben Grunde Pensionier-
ten“, alle „aus demselben Grunde außer Dienst gestellten Beamten“, alle im Dienst ste-
henden öffentlichen Bediensteten , die derzeit „nicht zu dem im § 4 des Verbotsgesetzes
beschriebenen Personenkreis gehören“, alle öffentlichen Bediensteten , die „derzeit noch
in Verwendung stehen , obgleich sie unter die im § 4 des Verbotsgesetzes genannten Per-
sonen fallen“ sowie letztlich alle „der unter dem nationalsozialistischen Regime aus dem
Staatsdienst entfernten Beamten ( Entlassenen oder Zwangspensionierung )“.1303 Bereits
jedenfalls gänzlich anderes Zahlenmaterial. So waren im Sommersemester 1945 insgesamt 4. 195 Stu-
dierende inskribiert. Davon entfielen auf die Katholisch-Theologische Fakultät 56 , auf die Evangelisch-
Theologische Fakultät 4 , auf die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 626 , auf die Medizinische
Fakultät 1. 588 und auf die Philosophische Fakultät 1. 921. Im Vergleich dazu sahen die Inskriptionszif-
fern in den Jahren bzw. Dekaden zuvor folgendermaßen aus :
Sommersemester 1924 : 8. 074
Wintersemester 1937 / 38 : 9. 180
Wintersemester 1944 / 45 : 3. 446
Siehe dazu : Recordings of the U. S. Department of State relating to the Internal Affairs of Austria
1945–1954 ( Mikrofilm-Bestand / Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien ), Decimal File , Reel
6 , Major Leigh M. Lott , Internal Affairs Division / Education Branch , USFA , Report of First Visit to
the University of Vienna [ 26. September 1946 ] , 14 October 1945 , 4.
1301 Wohl nicht auf allzu präziser Datengrundlage beruhend wurde dabei vermutet , dass in Summe rund 500
Studierende Mitglieder einer der drei politischen Parteien wären , wovon 250 der ÖVP , 150 den Kom-
munisten und 100 den Sozialisten zuzurechnen seien. Ebd., 3.
1302 Ebd., 3.
1303 Österreichisches Staatsarchiv ( ÖSTA ), Staatsamt für Volksaufklärung , für Unterricht und Erziehung
und für Kultusangelegenheiten. Republik Österreich , Staatsamt für Inneres. GZ 1739 – Pr. 45 , Gen.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741