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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
erachtet , „möglichst bald [ … ] Klarheit zu gewinnen“, wer für eine „aktive Verwendung
in Frage kommt“, zum anderen signalisierte man deutlich , dass ein kulantes Vorgehen
manchmal angebracht wäre :
„Wenn Bedarf im allgemeinen und unter Berücksichtigung des besonderen Falles vorhanden ist ,
wenn ein entsprechender Dienstposten zur Verfügung steht und wenn es die Lage des Falles
auch sonst gestattet , ist unter Bedachtnahme auf alle sonst hierfür maßgebenden Umstände
die Verwendung ( Übernahme auf einen neuzubildenden Personalstand ) des betreffenden Be-
diensteten in Betracht zu ziehen.“1390
Als oberste Kontrollinstanz wurde im Dezember 1945 , ebenfalls im Bundeskanzleramt , die
sogenannte „Sonderoberkommission“ eingerichtet , die als „zweite Instanz“ – unter dem
Vorsitz des Bundeskanzlers beziehungsweise seines Stellvertreters Dr. Heinrich Mon-
tel
– Entscheidungen über Berufungen gegen die Erkenntnisse der Sonderkommissionen
I. Instanz zu treffen beziehungsweise neuerliche Überprüfungen anzuordnen hatte.1391
Diese Sonderoberkommission gliederte sich ihrerseits in 15 Senate , wobei der Senat VI
die „Öffentliche[ n ] Lehrpersonen und sonstige Bedienstete[ n ] an Schule[ n ] außer an
Hoch- und Mittelschulen“ umfasste , Senat VII hingegen Lehrer und sonstige Bediens-
tete an Hoch- und Mittelschulen.1392 Die Tätigkeit der Sonderoberkommission wurde
jedoch erst im Verlauf des Jänner 1946 , nachdem die Mitglieder der Senate bestellt waren ,
aufgenommen.
An dieser Stelle ist hervorzuheben , dass die alliierte Kontrolle der österreichischen Säu-
berungsmaßnahmen – trotz allmählich spürbar werdender geostrategischer Konflikte1393
und Friktionen im Vorfeld des Kalten Krieges und der damit einhergehenden Degradie-
rung von Entmilitarisierung und Entnazifizierung auf bald inhaltsleere Formeln – durch
schwerwiegende Vorkommnisse beziehungsweise die Säumigkeit österreichischer Stellen
regelrecht herausgefordert wurde und , zumindest temporär , zu einem konsensualen Vor-
gehen aller vier Besatzungsmächte führte.1394
1390 Ebd., 2.
1391 ÖSTA / AdR , Bestand 04 , BKA , Präs. I , Kt. 3 , Bericht der Sonderoberkommission zur Note der Alliier-
ten Denazifizierungsabteilung vom 19. März 1946 , D / 2. Kopie im Besitz d. Verfassers.
1392 Sektion III , Abt. 7 des Senats VII war für die Hochschulen und Universitäten zuständig. ÖSTA / AdR ,
Bestand 02 , BMfU , 47161 / IV / Pb / 1946 , Sonderoberkommission beim BKA , Zuständigkeit der Senate
VI und VII ; an das Bundesministerium für Unterricht , Anhang , 3. Kopie im Besitz d. Verfassers.
1393 So zum Beispiel im Bereich der ursprünglich von den alliierten Besatzungsmächten gemeinsam projek-
tierten Entmilitarisierung des Landes , eine Frage , zu der sich die Fronten langsam zu verhärten began-
nen. Vgl. dazu Christian Stifter , Die Wiederaufrüstung Österreichs. Die geheime Remilitarisierung der
westlichen Besatzungszonen 1945–1955 (= Wiener Zeitgeschichte-Studien 1 ), Wien 1997 , 45 f.
1394 Bis November 1945 beschränkte sich die Tätigkeit des interalliierten Denazifizierungskomitees auf
kurze , zumeist repetitive Darstellungen über den Status quo. Der erste derartige ‚Bericht‘ ( eigentlich nur
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741