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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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4. „The democratic way of life in Austria“ 338 Wie sich in mehrfacher Hinsicht zeigt , war die exekutive Position der amerikanischen Militärdienststellen in Österreich hinsichtlich der Entnazifizierung in konkreten Anwen- dungsbereichen bereits Anfang des Jahres 1946 keineswegs einheitlich , geschweige denn auf eine entschiedene Vorgehensweise hin ausgelegt. Im Gegenteil : anders als bei über- geordneten militärischen oder zivilen Stellen in Frankfurt oder Washington , die sich aus der räumlichen Distanz wiederholt über Vorgänge in Österreich besorgt zeigten , und ab- seits inter-alliierter Gremien dominierte bei den verantwortlichen US-Offizieren vor Ort letztlich eine überaus pragmatische , nachgerade konziliante Haltung des Laissez-faire , die fallweise sogar  – wie sich noch zeigen wird  – dazu führte , einschlägige Vorfälle in quasi austrifizierter Form gegenüber übergeordneten Dienststellen in Washington zu verharm- losen beziehungsweise überhaupt zu beschwichtigen. Ein Beispiel dafür , wie von amerikanischer Seite mitunter geradezu ‚Brücken‘ gebaut wur- den , stellt das einvernehmliche Vorgehen im Bereich der Säuberung des öffentlichen Kultur- und Kunstsektors dar. Nach einer Besprechung bei Brigade-General Arthur J. McChrystal , dem Chef der militärischen US-Nachrichtendienstabteilung Information Service Branch ( ISB ),1440 bei der unter anderen Bundesminister Hurdes , Sektionschef Hans Pernter und Viktor Matejka als Wiener Stadtrat für Kultur und Volksbildung teilnahmen , wurde die virulente Frage aufgeworfen , wie mit jenen nationalsozialistisch belasteten Künstlern oder Musikern umzugehen sei , die in keinem Dienstverhältnis mit den Staatstheatern stehen. In eigens ausgearbeiteten „formellen Leitlinien“, die zwar wenig mit einem demokra- tischen Kunstverständnis , jedoch viel mit technokratisch-indolenter Kulturpolitik zu tun haben , regte ISB-Chef Brigadegeneral Arthur J. McChrystal an , die in Frage kommenden Personen zunächst in zwei Kategorien zu teilen : in die „Künstler von größerer Bedeutung“ und jene „geringerer Bedeutung“. Darüber hinaus sei unter Vorsitz des Unterrichtsminis- ters eine eigene Kommission zu bilden , die die Überprüfung und mögliche Rehabilitierung im Bereich von „Oper , Schauspiel und Musikleben“ vornehmen sollte. Die Aufgabe dieser Kommission liege , so McChrystal weiter , unter anderem darin , festzustellen , welche „Vor- teile“ die Personen abseits „formeller Mitgliedschaft“ gezogen hätten , und vor allem zu be- rücksichtigen , ob „der Künstler persönlich auf diese Vorteile hingearbeitet hat oder ob ihm diese Mitgliedschaft aufgezwungen wurde“. Schließlich sei das „Mass der Notwendigkeit , den Künstler mit Rücksicht auf die Wiederherstellung des österreichischen Kulturlebens heranzuziehen“ beziehungsweise „in welchem Ausmass das österreichische Publikum das Wiederauftreten wünscht“ für die Beurteilung heranzuziehen. Zuletzt ließe sich , so Mc- 1440 Arthur J. McChrystal war zunächst Kommandant der Information and Censorship ( INC ) und wurde Ende Dezember 1944 mit dem Aufbau des US-Informationsdienstes Information Service Branch ( ISB ) betraut. In Österreich bestand die Aufgabe des ISB v. a. in der Propagagierung und  – in Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen wie bspw. auch der Education Division  – in der Popularisierung und Durch- setzung des „American way of life. Siehe : Oliver Rathkolb , Politische Propaganda der amerikanischen Besatzungsmacht in Österreich 1945 bis 1950. Ein Beitrag zur Geschichte des Kalten Krieges in der Presse- Kultur und Rundfunkpolitik. Bd. I , Diss., Univ. Wien 1981 , 52–57.
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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