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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
punkte im Vorfeld zu vermeiden. So wurden die Mitglieder des Lehrkörpers – allerdings
erst nach einschlägigen Vorkommnissen an der Universität
– „nachdrücklich ermahnt“, „in
allen ihren Vorträgen , Übungen , Themenstellungen , jede Formulierung zu vermeiden , die
das Ansehen eines großdeutschen oder gar nationalsozialistischen gedanklichen Zusam-
menhanges erwecken könnten.“1459 Darüber hinaus sprachen sich Rektor und Senat auf
Grund der politischen Lage auch hinsichtlich der Habilitation von „Entregistrierten“ für
vorsichtiges Zuwarten aus1460 und legten – entgegen der keineswegs gesetzeskonformen
Unbedenklichkeitszusicherung durch Sektionschefs Skrbensky – bei der Zulassung von
Belasteten und Minderbelasteten , die „sehr gefährlich erscheine“, große Vorsicht an den
Tag. In einer Besprechung mit Skrbensky wurde ihm mitgeteilt , dass die „Universität [ … ]
es sich nicht leisten [ könne ] , Belastete zur Promotion zuzulassen , weil sonst mit Krawallen
bei diesen Anlässen gerechnet werden müsse.“1461
Im Jänner 1946 intensivierten sich dann nochmals die öffentlichen Vorwürfe im Wiener
Montag , der nun von einer „Naziseuche an unseren Hochschulen“ sprach und unter Beru-
fung auf den Historiker Alfons Dopsch1462 auch schwere Vorwürfe gegen die Österreichi-
sche Akademie der Wissenschaften ( ÖAW ) richtete , wo ehemalige Nationalsozialisten
auch nur höchst unzureichend entfernt worden seien.1463
1459 UAW , Senats-Sitzungs-Protokolle , Studienjahr 1946. Hier zitiert nach : Heiß , Wendepunkt und Wie-
deraufbau : Die Arbeit des Senats der Universität Wien in den Jahren nach der Befreiung. In : Grand-
ner / Heiß / Rathkolb ( Hrsg. ), Zukunft mit Altlasten , a. a. O., 24.
1460 Vgl. Heiß , Wendepunkt und Wiederaufbau : Die Arbeit des Senats der Universität Wien in den Jahren
nach der Befreiung. In : Grandner / Heiß / Rathkolb ( Hrsg. ), Zukunft mit Altlasten , a. a. O., 25.
1461 Nachdem Skrbensky in einem Gespräch dem Dekan der juristischen Fakultät , Rudolf Köstler , erklärt
hatte , dass die „Betreffenden zugelassen werden könnten“, ging Adamovich in vorsichtige Distanz zum
Sektionschef , indem er diesen darum ersuchte , beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eine
Weisung darüber einzuholen , wie die Bestimmung des Minderbelastetengesetzes , wonach alle Minder-
belasteten „bis zum 30. April 1950 von der Zulassung zum Hochschulstudium ausgeschlossen“ werden
sollten , korrekt zu interpretieren sei. UAW , Senats-Sitzungs-Protokoll , 12. Sitzung , Akademischer Se-
nat d. Universität Wien , GZ. 1–1946 / 47 , 1. März 1947 , 2.
1462 Alfons Dopsch ( 1868–1953 ), deutschnationaler , antisemitischer österreichischer Historiker mit großem
internationalem Einfluss , Mitglied der „Deutschen Gemeinschaft“, wurde nach scharfen Angriffen sei-
nes karrierebewußten Kollegen Otto Brunner , der bereits als dessen Nachfolger im Historischen Se-
minar gehandelt wurde , und unterstützt durch „schwer identifizierbare Kreise“ – wie Thomas Buchner
anmerkt
–, bereits 1936 vorzeitig pensioniert. Siehe : Thomas Buchner , Alfons Dopsch ( 1868–1953 ). Die
„Mannigfaltigkeit der Verhältnisse“. In : Karel Hruza ( Hrsg. ), Österreichische Historiker 1900–1945.
Lebensläufe und Karrieren in Österreich , Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftsge-
schichtlichen Porträts , Wien – Köln – Weimar 2008 , 161 ff.
1463 Auch hier wurde neuerlich Richard Meister als Schutzpatron der Ehemaligen verdächtigt. Immerhin
habe dieser die Wahl Professor Keils in den Akademischen Senat ermöglicht , jener Person , die nach
Aussage des von der Staatspolizei verhafteten Archivdirektors der Universität Wien seinerzeit die Ver-
brennung der Akten von belasteten NS-Professoren angeordnet habe. Siehe : Die Naziseuche an un-
seren Hochschulen. In : Wiener Montag , 7. Jänner 1946 , 3.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741